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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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beunruhigen, sind ebenfalls Reichen und
Armen grösten Theils gemein. Kranck-
heiten und Schmertzen schleichen sich auch
unter den Purpur, und der Tod übergiebt
auch gecrönte Häupter der Verwesung.
Und sind die Niedrigen und Armen mit
gewissen Sorgen beschwehrt, welche einen
Hohen nicht drucken, so ängstiget diese
wieder ein ander Kummer, davon jene
nichts wissen. Weinet dieser, daß seine
Nahrung schlecht, und er seinen hungrigen
Kindern das Brod sparsam zutheilen muß,
so ist jener unruhig, schäumet und raset,
daß ein Betrüger einen Theil seines Vor-
raths durchgebracht, oder ein ander ihm
1. B. der
Kön. 19.
vorgezogen worden. Muß ein armer Elias
fliehen und mit Wasser und Brod vorlieb
nehmen, so liegt Ahab voller Unmuth auf
1. B. der
Kön. 21.
dem Bette und findet auch keinen Ge-
schmack an Königlichen Gerichten, da ihm
Naboth seinen Weinberg versagt. Die
Anzahl der vergnügten Stunden macht
folglich auch keinen sonderlichen Unterschied
unter der Glückseligkeit eines Hohen und
eines Niedrigen. Wird man diese und
dergleichen Gründe genau überlegen, so
wird man finden, daß Geld, Ehre und der-

gleichen



beunruhigen, ſind ebenfalls Reichen und
Armen groͤſten Theils gemein. Kranck-
heiten und Schmertzen ſchleichen ſich auch
unter den Purpur, und der Tod uͤbergiebt
auch gecroͤnte Haͤupter der Verweſung.
Und ſind die Niedrigen und Armen mit
gewiſſen Sorgen beſchwehrt, welche einen
Hohen nicht drucken, ſo aͤngſtiget dieſe
wieder ein ander Kummer, davon jene
nichts wiſſen. Weinet dieſer, daß ſeine
Nahrung ſchlecht, und er ſeinen hungrigen
Kindern das Brod ſparſam zutheilen muß,
ſo iſt jener unruhig, ſchaͤumet und raſet,
daß ein Betruͤger einen Theil ſeines Vor-
raths durchgebracht, oder ein ander ihm
1. B. der
Koͤn. 19.
vorgezogen worden. Muß ein armer Elias
fliehen und mit Waſſer und Brod vorlieb
nehmen, ſo liegt Ahab voller Unmuth auf
1. B. der
Koͤn. 21.
dem Bette und findet auch keinen Ge-
ſchmack an Koͤniglichen Gerichten, da ihm
Naboth ſeinen Weinberg verſagt. Die
Anzahl der vergnuͤgten Stunden macht
folglich auch keinen ſonderlichen Unterſchied
unter der Gluͤckſeligkeit eines Hohen und
eines Niedrigen. Wird man dieſe und
dergleichen Gruͤnde genau uͤberlegen, ſo
wird man finden, daß Geld, Ehre und der-

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[424/0442] beunruhigen, ſind ebenfalls Reichen und Armen groͤſten Theils gemein. Kranck- heiten und Schmertzen ſchleichen ſich auch unter den Purpur, und der Tod uͤbergiebt auch gecroͤnte Haͤupter der Verweſung. Und ſind die Niedrigen und Armen mit gewiſſen Sorgen beſchwehrt, welche einen Hohen nicht drucken, ſo aͤngſtiget dieſe wieder ein ander Kummer, davon jene nichts wiſſen. Weinet dieſer, daß ſeine Nahrung ſchlecht, und er ſeinen hungrigen Kindern das Brod ſparſam zutheilen muß, ſo iſt jener unruhig, ſchaͤumet und raſet, daß ein Betruͤger einen Theil ſeines Vor- raths durchgebracht, oder ein ander ihm vorgezogen worden. Muß ein armer Elias fliehen und mit Waſſer und Brod vorlieb nehmen, ſo liegt Ahab voller Unmuth auf dem Bette und findet auch keinen Ge- ſchmack an Koͤniglichen Gerichten, da ihm Naboth ſeinen Weinberg verſagt. Die Anzahl der vergnuͤgten Stunden macht folglich auch keinen ſonderlichen Unterſchied unter der Gluͤckſeligkeit eines Hohen und eines Niedrigen. Wird man dieſe und dergleichen Gruͤnde genau uͤberlegen, ſo wird man finden, daß Geld, Ehre und der- gleichen 1. B. der Koͤn. 19. 1. B. der Koͤn. 21.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 424. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/442>, abgerufen am 23.11.2024.