Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.chen keinen gar grossen Vorzug vor den Uebrigen geben. Lernet nur diese Stun- den recht zählen. Von einer grossen An- zahl können wir beweisen, daß sie von Ho- hen und Niedrigen auf gleiche Art hinge- bracht werden. Jn den ersten funfzehn Jahren unsers Lebens ist das Kind eines Armen so vergnügt, als der Printz eines grossen Königes. Noch mehr als der vierte Theil des noch übrigen Lebens ist ebenfalls bey Hohen und Niedrigen gleich, selbiger wird mit Schlaffen hingebracht. Und könnte man den Rest der übrigen Stunden, welche Reiche und Arme ver- gnügt zurück legen, zählen, so würde man diese Anzahl bey den Geringern oft grösser finden, als bey denen, die man vor ihnen glücklich nennet. Gebet acht in der Welt, ihr werdet wahrnehmen, daß mannigmahl ein Knecht mehr Stunden frölich ist, als sein Herr. Gehet hin bey diejenigen, wel- che den Aeckern ihren Schweiß opffern, da- mit ihnen selbige ihre Früchte geben; fin- det man sie nie frölich? Bewundert die- jenige Weisheit, welche auch diese Arm- seligen weiß zu erfreuen. Diejenigen Din- ge aber, welche das menschliche Gemüth beun- D d 4
chen keinen gar groſſen Vorzug vor den Uebrigen geben. Lernet nur dieſe Stun- den recht zaͤhlen. Von einer groſſen An- zahl koͤnnen wir beweiſen, daß ſie von Ho- hen und Niedrigen auf gleiche Art hinge- bracht werden. Jn den erſten funfzehn Jahren unſers Lebens iſt das Kind eines Armen ſo vergnuͤgt, als der Printz eines groſſen Koͤniges. Noch mehr als der vierte Theil des noch uͤbrigen Lebens iſt ebenfalls bey Hohen und Niedrigen gleich, ſelbiger wird mit Schlaffen hingebracht. Und koͤnnte man den Reſt der uͤbrigen Stunden, welche Reiche und Arme ver- gnuͤgt zuruͤck legen, zaͤhlen, ſo wuͤrde man dieſe Anzahl bey den Geringern oft groͤſſer finden, als bey denen, die man vor ihnen gluͤcklich nennet. Gebet acht in der Welt, ihr werdet wahrnehmen, daß mannigmahl ein Knecht mehr Stunden froͤlich iſt, als ſein Herr. Gehet hin bey diejenigen, wel- che den Aeckern ihren Schweiß opffern, da- mit ihnen ſelbige ihre Fruͤchte geben; fin- det man ſie nie froͤlich? Bewundert die- jenige Weisheit, welche auch dieſe Arm- ſeligen weiß zu erfreuen. Diejenigen Din- ge aber, welche das menſchliche Gemuͤth beun- D d 4
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den recht zaͤhlen. Von einer groſſen An-
zahl koͤnnen wir beweiſen, daß ſie von Ho-
hen und Niedrigen auf gleiche Art hinge-
bracht werden. Jn den erſten funfzehn
Jahren unſers Lebens iſt das Kind eines
Armen ſo vergnuͤgt, als der Printz eines
groſſen Koͤniges. Noch mehr als der
vierte Theil des noch uͤbrigen Lebens iſt
ebenfalls bey Hohen und Niedrigen gleich,
ſelbiger wird mit Schlaffen hingebracht.
Und koͤnnte man den Reſt der uͤbrigen
Stunden, welche Reiche und Arme ver-
gnuͤgt zuruͤck legen, zaͤhlen, ſo wuͤrde man
dieſe Anzahl bey den Geringern oft groͤſſer
finden, als bey denen, die man vor ihnen
gluͤcklich nennet. Gebet acht in der Welt,
ihr werdet wahrnehmen, daß mannigmahl
ein Knecht mehr Stunden froͤlich iſt, als
ſein Herr. Gehet hin bey diejenigen, wel-
che den Aeckern ihren Schweiß opffern, da-
mit ihnen ſelbige ihre Fruͤchte geben; fin-
det man ſie nie froͤlich? Bewundert die-
jenige Weisheit, welche auch dieſe Arm-
ſeligen weiß zu erfreuen. Diejenigen Din-
ge aber, welche das menſchliche Gemuͤth
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