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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.

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jemand vor sich hat, desto grösser und straf-
barer wird das Verbrechen, wenn sich ein
solcher zur Untreue verführen lässet. Der
Schluß folget also bey einem vernünf-
tigen Geiste von selbsten: Eine jede Lust
sey ferne von mir, um deren Verge-
bung ein unschuldiger und göttlicher Mitt-
ler leiden muß. Eine solche Weisheit des
Unendlichen, eine so grosse Heiligkeit GOt-
tes, seiner Gesetze, und seines Reichs, offen-
baret sich darinne, daß GOtt seinen ein-
gebohrnen Sohn gegeben, auf daß alle, die
an ihn gläuben, nicht verlohren werden,
sondern das ewige Leben haben. (*)

Wir
(*) Mir ist hiebey die Frage eingefallen, ob die
gefallenen Engel durch die Begnadigung der
Menschen nicht Gelegenheit bekommen,
GOtt einer ungleichen Gerechtigkeit und
Güte zu beschuldigen, weil ihnen kein Mitt-
ler gegeben und Gnade angetragen worden.
Sollte aber sonst nichts seyn, wodurch sie
könnten mit diesem Vorwurff abgewiesen
werden, so würde dieses genug seyn. Sie
sind Häupter der Rebellion wider die gött-
lichen Gesetze: Die Menschen aber sind von
ihnen durch Verführung mit in gleiches
Verbrechen gezogen worden. Nun aber
wird ein jeder leicht begreifen, daß die Häup-
ter eines Aufstandes weniger Gnade ver-
dienen, als die, so durch Verführung mit
dahin
Jacobi Betr. 2. Band. Z



jemand vor ſich hat, deſto groͤſſer und ſtraf-
barer wird das Verbrechen, wenn ſich ein
ſolcher zur Untreue verfuͤhren laͤſſet. Der
Schluß folget alſo bey einem vernuͤnf-
tigen Geiſte von ſelbſten: Eine jede Luſt
ſey ferne von mir, um deren Verge-
bung ein unſchuldiger und goͤttlicher Mitt-
ler leiden muß. Eine ſolche Weisheit des
Unendlichen, eine ſo groſſe Heiligkeit GOt-
tes, ſeiner Geſetze, und ſeines Reichs, offen-
baret ſich darinne, daß GOtt ſeinen ein-
gebohrnen Sohn gegeben, auf daß alle, die
an ihn glaͤuben, nicht verlohren werden,
ſondern das ewige Leben haben. (*)

Wir
(*) Mir iſt hiebey die Frage eingefallen, ob die
gefallenen Engel durch die Begnadigung der
Menſchen nicht Gelegenheit bekommen,
GOtt einer ungleichen Gerechtigkeit und
Guͤte zu beſchuldigen, weil ihnen kein Mitt-
ler gegeben und Gnade angetragen worden.
Sollte aber ſonſt nichts ſeyn, wodurch ſie
koͤnnten mit dieſem Vorwurff abgewieſen
werden, ſo wuͤrde dieſes genug ſeyn. Sie
ſind Haͤupter der Rebellion wider die goͤtt-
lichen Geſetze: Die Menſchen aber ſind von
ihnen durch Verfuͤhrung mit in gleiches
Verbrechen gezogen worden. Nun aber
wird ein jeder leicht begreifen, daß die Haͤup-
ter eines Aufſtandes weniger Gnade ver-
dienen, als die, ſo durch Verfuͤhrung mit
dahin
Jacobi Betr. 2. Band. Z
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[353/0371] jemand vor ſich hat, deſto groͤſſer und ſtraf- barer wird das Verbrechen, wenn ſich ein ſolcher zur Untreue verfuͤhren laͤſſet. Der Schluß folget alſo bey einem vernuͤnf- tigen Geiſte von ſelbſten: Eine jede Luſt ſey ferne von mir, um deren Verge- bung ein unſchuldiger und goͤttlicher Mitt- ler leiden muß. Eine ſolche Weisheit des Unendlichen, eine ſo groſſe Heiligkeit GOt- tes, ſeiner Geſetze, und ſeines Reichs, offen- baret ſich darinne, daß GOtt ſeinen ein- gebohrnen Sohn gegeben, auf daß alle, die an ihn glaͤuben, nicht verlohren werden, ſondern das ewige Leben haben. (*) Wir (*) Mir iſt hiebey die Frage eingefallen, ob die gefallenen Engel durch die Begnadigung der Menſchen nicht Gelegenheit bekommen, GOtt einer ungleichen Gerechtigkeit und Guͤte zu beſchuldigen, weil ihnen kein Mitt- ler gegeben und Gnade angetragen worden. Sollte aber ſonſt nichts ſeyn, wodurch ſie koͤnnten mit dieſem Vorwurff abgewieſen werden, ſo wuͤrde dieſes genug ſeyn. Sie ſind Haͤupter der Rebellion wider die goͤtt- lichen Geſetze: Die Menſchen aber ſind von ihnen durch Verfuͤhrung mit in gleiches Verbrechen gezogen worden. Nun aber wird ein jeder leicht begreifen, daß die Haͤup- ter eines Aufſtandes weniger Gnade ver- dienen, als die, ſo durch Verfuͤhrung mit dahin Jacobi Betr. 2. Band. Z

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745, S. 353. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen02_1745/371>, abgerufen am 27.06.2024.