Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 2. Göttingen, 1745.tzung derselben durch einen unerlaubten Beyschlaf bedeutet. Wenn ferner Chri- stus die blosse leichtsinnige Scheidung für einen Ehebruch erklären wollen, so frage ich, warum er denn die Worte hinzu ge- setzt? und freyet eine andere. Diese letztern Worte geben ja deutlich genug zu erkennen, daß er auch anzeigen wollen, durch diese anderweitige Verehlichung ge- schehe der Ehebruch. Wann derowegen der Heiland auch Matth. Cap. 5. v. 32. wider die leichtsinnige Ehe-Scheidung re- det, und die Worte: und freyet eine an- dere, nicht hinzu setzet, so beschuldiget er auch den Mann nicht des Ehebruchs, son- dern spricht nur: er mache durch die Schei- dung, daß die Abgescheidete einen Ehebruch begienge, indem sie sich insgemein mit ei- nem andern verheirathete. (*) Es ist dem- nach ohne allen Zweifel, daß Christus der leichtsinnigen Ehe-Scheidung der Juden an diesem Orte dieses entgegen setzen wol- len, sie würden insgemein durch die Schei- dung entweder zu einer anderweitigen un- erlaubten Ehe bewogen, oder sie nähmen diese Scheidung vor, weil sie beschlossen eine andere Frau zu wählen; und verfie- len (*) Es scheinet sehr hart zu seyn, wenn Chri- stus auch die auf eine leichtsinnige Weise abgescheidete Frau und den, welcher sie wie- der heirathet, eines Ehebruchs schuldig er- kläret. Man möchte gedencken, warum verdienet denn die anderweitige Verehlichung einer Abgescheideten, da sie doch der Mann nicht behalten wollen, ein Ehebruch genannt zu werden? Wir werden die Billigkeit die- ses Ausspruches erkennen, wenn wir fol- gendes bemercken. Erstlich müssen derglei- chen Aussprüche Christi nach keiner absolu- ten Allgemeinheit d. i. nicht also erkläret werden, daß sie gar keine Ausnahme litten, sondern es ist dasjenige darinne zu suchen, was insgemein geschiehet und nach dem ge- meinen Laufe der Welt wahr ist. (Ejusmodi Jacobi Betr. 2. Band. P
tzung derſelben durch einen unerlaubten Beyſchlaf bedeutet. Wenn ferner Chri- ſtus die bloſſe leichtſinnige Scheidung fuͤr einen Ehebruch erklaͤren wollen, ſo frage ich, warum er denn die Worte hinzu ge- ſetzt? und freyet eine andere. Dieſe letztern Worte geben ja deutlich genug zu erkennen, daß er auch anzeigen wollen, durch dieſe anderweitige Verehlichung ge- ſchehe der Ehebruch. Wann derowegen der Heiland auch Matth. Cap. 5. v. 32. wider die leichtſinnige Ehe-Scheidung re- det, und die Worte: und freyet eine an- dere, nicht hinzu ſetzet, ſo beſchuldiget er auch den Mann nicht des Ehebruchs, ſon- dern ſpricht nur: er mache durch die Schei- dung, daß die Abgeſcheidete einen Ehebruch begienge, indem ſie ſich insgemein mit ei- nem andern verheirathete. (*) Es iſt dem- nach ohne allen Zweifel, daß Chriſtus der leichtſinnigen Ehe-Scheidung der Juden an dieſem Orte dieſes entgegen ſetzen wol- len, ſie wuͤrden insgemein durch die Schei- dung entweder zu einer anderweitigen un- erlaubten Ehe bewogen, oder ſie naͤhmen dieſe Scheidung vor, weil ſie beſchloſſen eine andere Frau zu waͤhlen; und verfie- len (*) Es ſcheinet ſehr hart zu ſeyn, wenn Chri- ſtus auch die auf eine leichtſinnige Weiſe abgeſcheidete Frau und den, welcher ſie wie- der heirathet, eines Ehebruchs ſchuldig er- klaͤret. Man moͤchte gedencken, warum verdienet denn die anderweitige Verehlichung einer Abgeſcheideten, da ſie doch der Mann nicht behalten wollen, ein Ehebruch genannt zu werden? Wir werden die Billigkeit die- ſes Ausſpruches erkennen, wenn wir fol- gendes bemercken. Erſtlich muͤſſen derglei- chen Ausſpruͤche Chriſti nach keiner abſolu- ten Allgemeinheit d. i. nicht alſo erklaͤret werden, daß ſie gar keine Ausnahme litten, ſondern es iſt dasjenige darinne zu ſuchen, was insgemein geſchiehet und nach dem ge- meinen Laufe der Welt wahr iſt. (Ejusmodi Jacobi Betr. 2. Band. P
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ſtus die bloſſe leichtſinnige Scheidung fuͤr
einen Ehebruch erklaͤren wollen, ſo frage
ich, warum er denn die Worte hinzu ge-
ſetzt? und freyet eine andere. Dieſe
letztern Worte geben ja deutlich genug zu
erkennen, daß er auch anzeigen wollen,
durch dieſe anderweitige Verehlichung ge-
ſchehe der Ehebruch. Wann derowegen
der Heiland auch Matth. Cap. 5. v. 32.
wider die leichtſinnige Ehe-Scheidung re-
det, und die Worte: und freyet eine an-
dere, nicht hinzu ſetzet, ſo beſchuldiget er
auch den Mann nicht des Ehebruchs, ſon-
dern ſpricht nur: er mache durch die Schei-
dung, daß die Abgeſcheidete einen Ehebruch
begienge, indem ſie ſich insgemein mit ei-
nem andern verheirathete. (*) Es iſt dem-
nach ohne allen Zweifel, daß Chriſtus der
leichtſinnigen Ehe-Scheidung der Juden
an dieſem Orte dieſes entgegen ſetzen wol-
len, ſie wuͤrden insgemein durch die Schei-
dung entweder zu einer anderweitigen un-
erlaubten Ehe bewogen, oder ſie naͤhmen
dieſe Scheidung vor, weil ſie beſchloſſen
eine andere Frau zu waͤhlen; und verfie-
len
(*) Es ſcheinet ſehr hart zu ſeyn, wenn Chri-
ſtus auch die auf eine leichtſinnige Weiſe
abgeſcheidete Frau und den, welcher ſie wie-
der heirathet, eines Ehebruchs ſchuldig er-
klaͤret. Man moͤchte gedencken, warum
verdienet denn die anderweitige Verehlichung
einer Abgeſcheideten, da ſie doch der Mann
nicht behalten wollen, ein Ehebruch genannt
zu werden? Wir werden die Billigkeit die-
ſes Ausſpruches erkennen, wenn wir fol-
gendes bemercken. Erſtlich muͤſſen derglei-
chen Ausſpruͤche Chriſti nach keiner abſolu-
ten Allgemeinheit d. i. nicht alſo erklaͤret
werden, daß ſie gar keine Ausnahme litten,
ſondern es iſt dasjenige darinne zu ſuchen,
was insgemein geſchiehet und nach dem ge-
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