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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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Geschlecht könne auf diese Weise auferzo-
gen werden. Wenn man die Probe
machen und tausend halbjährige Kinder in
den Wald setzen würde, so zweifle, ob zweye
davon das zehende Jahr erreichen würden.
Sehr viele würden sich in den Gebü-
schen den noch offenen Kopff zerstossen,
andere würden von den wilden Thie-
ren, besonders in den warmen Län-
dern von den Löwen, Tiegern, Crocodil-
len und Drachen gefressen werden, andere
würden verschmachten, und noch andere
würden besonders in den kalten Ländern
erfrieren. Denn kann ein starcker Sol-
dat nicht einmahl des Winters wohl im
Felde aushalten, der doch Kleider, ein Ge-
zelt und Feuer hat, wie viel weniger wür-
de ein solches zartes Kind im Regen,
Schnee und Frost erhalten werden? Wir
finden derowegen auch auf den |gantzen
Erdboden, in so weit es uns bekant ist, kein
einziges Volck, welches an seine Kinder
nicht mehr Mühe und Fleiß wendete als
die Thiere. Wie denn GOtt auch so
wol die Kinder als uns durch die Blösse
von allen andern Thieren, so sich bestän-
dig über den Erdboden aufhalten, unter-
schieden, und uns in die Umstände gesetzet,

daß
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Geſchlecht koͤnne auf dieſe Weiſe auferzo-
gen werden. Wenn man die Probe
machen und tauſend halbjaͤhrige Kinder in
den Wald ſetzen wuͤrde, ſo zweifle, ob zweye
davon das zehende Jahr erreichen wuͤrden.
Sehr viele wuͤrden ſich in den Gebuͤ-
ſchen den noch offenen Kopff zerſtoſſen,
andere wuͤrden von den wilden Thie-
ren, beſonders in den warmen Laͤn-
dern von den Loͤwen, Tiegern, Crocodil-
len und Drachen gefreſſen werden, andere
wuͤrden verſchmachten, und noch andere
wuͤrden beſonders in den kalten Laͤndern
erfrieren. Denn kann ein ſtarcker Sol-
dat nicht einmahl des Winters wohl im
Felde aushalten, der doch Kleider, ein Ge-
zelt und Feuer hat, wie viel weniger wuͤr-
de ein ſolches zartes Kind im Regen,
Schnee und Froſt erhalten werden? Wir
finden derowegen auch auf den |gantzen
Erdboden, in ſo weit es uns bekant iſt, kein
einziges Volck, welches an ſeine Kinder
nicht mehr Muͤhe und Fleiß wendete als
die Thiere. Wie denn GOtt auch ſo
wol die Kinder als uns durch die Bloͤſſe
von allen andern Thieren, ſo ſich beſtaͤn-
dig uͤber den Erdboden aufhalten, unter-
ſchieden, und uns in die Umſtaͤnde geſetzet,

daß
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[41/0077] Geſchlecht koͤnne auf dieſe Weiſe auferzo- gen werden. Wenn man die Probe machen und tauſend halbjaͤhrige Kinder in den Wald ſetzen wuͤrde, ſo zweifle, ob zweye davon das zehende Jahr erreichen wuͤrden. Sehr viele wuͤrden ſich in den Gebuͤ- ſchen den noch offenen Kopff zerſtoſſen, andere wuͤrden von den wilden Thie- ren, beſonders in den warmen Laͤn- dern von den Loͤwen, Tiegern, Crocodil- len und Drachen gefreſſen werden, andere wuͤrden verſchmachten, und noch andere wuͤrden beſonders in den kalten Laͤndern erfrieren. Denn kann ein ſtarcker Sol- dat nicht einmahl des Winters wohl im Felde aushalten, der doch Kleider, ein Ge- zelt und Feuer hat, wie viel weniger wuͤr- de ein ſolches zartes Kind im Regen, Schnee und Froſt erhalten werden? Wir finden derowegen auch auf den |gantzen Erdboden, in ſo weit es uns bekant iſt, kein einziges Volck, welches an ſeine Kinder nicht mehr Muͤhe und Fleiß wendete als die Thiere. Wie denn GOtt auch ſo wol die Kinder als uns durch die Bloͤſſe von allen andern Thieren, ſo ſich beſtaͤn- dig uͤber den Erdboden aufhalten, unter- ſchieden, und uns in die Umſtaͤnde geſetzet, daß C 5

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/77>, abgerufen am 25.11.2024.