Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.nen nicht wol ohne Wartung erwach- sen.und sagen: Es ist nicht nothwendig, daß die zarten Kinder auf den Armen getra- den, mit Windeln umwunden und lange Zeit gewartet und ernähret werden, sie kön- ten auf Händen und Füßen umher krie- chen, Graß, Eicheln und Nüße fressen, und in den Wäldern sich vor der Kälte verbergen. Man sähe ja die Möglichkeit schon in einigen wenigen Exempeln, da Leute in ihrer Kindheit in die Wälder ge- rathen, von menschlicher Gesellschafft abge- kommen, und einige Jahre mit den wil- den Thieren umher gelauffen, und sich un- ter ihnen ernähret. Daß aber durch die- se wenige und sehr rare Exempel die allge- meine Möglichkeit, daß Kinder wie die Thiere könten aufwachsen und erhalten werden, nicht zu erhärten stehe, ist aus fol- genden abzunehmen. Man weiß ja nicht, wie alt diese Leute gewesen, ehe sie sich von der menschlichen Gesellschafft verlohren. Es ist wenigstens gar nicht muthmaßlich, daß sie vor dem Alter eines Jahres in die Wildniß gerathen (*). Und sind sie jün- ger gewesen, so muß man an ihnen mehr eine besondere Vorsicht des höchsten We- sens bewundern, als durch sie auf die Ge- danken gerathen, das gantze menschliche Geschlecht (*) Von dem jungen Mägdlein, welches man
anno 1717. im Monath August in dem Walde von Cranenburg bey Schwoll in Ober-Yssel ge- funden, ist gewiß, daß es 16. Monath alt gewe- sen, als es verlohren worden. Siehe des Herrn D. Koenigs Schediasma de hominum inter fe- ras edueatorum statu naturali solitario pag. 62. nen nicht wol ohne Wartung erwach- ſen.und ſagen: Es iſt nicht nothwendig, daß die zarten Kinder auf den Armen getra- den, mit Windeln umwunden und lange Zeit gewartet und ernaͤhret werden, ſie koͤn- ten auf Haͤnden und Fuͤßen umher krie- chen, Graß, Eicheln und Nuͤße freſſen, und in den Waͤldern ſich vor der Kaͤlte verbergen. Man ſaͤhe ja die Moͤglichkeit ſchon in einigen wenigen Exempeln, da Leute in ihrer Kindheit in die Waͤlder ge- rathen, von menſchlicher Geſellſchafft abge- kommen, und einige Jahre mit den wil- den Thieren umher gelauffen, und ſich un- ter ihnen ernaͤhret. Daß aber durch die- ſe wenige und ſehr rare Exempel die allge- meine Moͤglichkeit, daß Kinder wie die Thiere koͤnten aufwachſen und erhalten werden, nicht zu erhaͤrten ſtehe, iſt aus fol- genden abzunehmen. Man weiß ja nicht, wie alt dieſe Leute geweſen, ehe ſie ſich von der menſchlichen Geſellſchafft verlohren. Es iſt wenigſtens gar nicht muthmaßlich, daß ſie vor dem Alter eines Jahres in die Wildniß gerathen (*). Und ſind ſie juͤn- ger geweſen, ſo muß man an ihnen mehr eine beſondere Vorſicht des hoͤchſten We- ſens bewundern, als durch ſie auf die Ge- danken gerathen, das gantze menſchliche Geſchlecht (*) Von dem jungen Maͤgdlein, welches man
anno 1717. im Monath Auguſt in dem Walde von Cranenburg bey Schwoll in Ober-Yſſel ge- funden, iſt gewiß, daß es 16. Monath alt gewe- ſen, als es verlohren worden. Siehe des Herrn D. Kœnigs Schediasma de hominum inter fe- ras edueatorum ſtatu naturali ſolitario pag. 62. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0076" n="40"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><note place="left">nen nicht<lb/> wol ohne<lb/> Wartung<lb/> erwach-<lb/> ſen.</note>und ſagen: Es iſt nicht nothwendig, daß<lb/> die zarten Kinder auf den Armen getra-<lb/> den, mit Windeln umwunden und lange<lb/> Zeit gewartet und ernaͤhret werden, ſie koͤn-<lb/> ten auf Haͤnden und Fuͤßen umher krie-<lb/> chen, Graß, Eicheln und Nuͤße freſſen,<lb/> und in den Waͤldern ſich vor der Kaͤlte<lb/> verbergen. Man ſaͤhe ja die Moͤglichkeit<lb/> ſchon in einigen wenigen Exempeln, da<lb/> Leute in ihrer Kindheit in die Waͤlder ge-<lb/> rathen, von menſchlicher Geſellſchafft abge-<lb/> kommen, und einige Jahre mit den wil-<lb/> den Thieren umher gelauffen, und ſich un-<lb/> ter ihnen ernaͤhret. Daß aber durch die-<lb/> ſe wenige und ſehr rare Exempel die allge-<lb/> meine Moͤglichkeit, daß Kinder wie die<lb/> Thiere koͤnten aufwachſen und erhalten<lb/> werden, nicht zu erhaͤrten ſtehe, iſt aus fol-<lb/> genden abzunehmen. Man weiß ja nicht,<lb/> wie alt dieſe Leute geweſen, ehe ſie ſich von<lb/> der menſchlichen Geſellſchafft verlohren.<lb/> Es iſt wenigſtens gar nicht muthmaßlich,<lb/> daß ſie vor dem Alter eines Jahres in die<lb/> Wildniß gerathen <note place="foot" n="(*)">Von dem jungen Maͤgdlein, welches man<lb/><hi rendition="#aq">anno</hi> 1717. im Monath <hi rendition="#aq">Auguſt</hi> in dem Walde<lb/> von Cranenburg bey Schwoll in Ober-Yſſel ge-<lb/> funden, iſt gewiß, daß es 16. Monath alt gewe-<lb/> ſen, als es verlohren worden. Siehe des Herrn<lb/><hi rendition="#aq">D. Kœnigs Schediasma de hominum inter fe-<lb/> ras edueatorum ſtatu naturali ſolitario pag.</hi> 62.</note>. Und ſind ſie juͤn-<lb/> ger geweſen, ſo muß man an ihnen mehr<lb/> eine beſondere Vorſicht des hoͤchſten We-<lb/> ſens bewundern, als durch ſie auf die Ge-<lb/> danken gerathen, das gantze menſchliche<lb/> <fw place="bottom" type="catch">Geſchlecht</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [40/0076]
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Zeit gewartet und ernaͤhret werden, ſie koͤn-
ten auf Haͤnden und Fuͤßen umher krie-
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und in den Waͤldern ſich vor der Kaͤlte
verbergen. Man ſaͤhe ja die Moͤglichkeit
ſchon in einigen wenigen Exempeln, da
Leute in ihrer Kindheit in die Waͤlder ge-
rathen, von menſchlicher Geſellſchafft abge-
kommen, und einige Jahre mit den wil-
den Thieren umher gelauffen, und ſich un-
ter ihnen ernaͤhret. Daß aber durch die-
ſe wenige und ſehr rare Exempel die allge-
meine Moͤglichkeit, daß Kinder wie die
Thiere koͤnten aufwachſen und erhalten
werden, nicht zu erhaͤrten ſtehe, iſt aus fol-
genden abzunehmen. Man weiß ja nicht,
wie alt dieſe Leute geweſen, ehe ſie ſich von
der menſchlichen Geſellſchafft verlohren.
Es iſt wenigſtens gar nicht muthmaßlich,
daß ſie vor dem Alter eines Jahres in die
Wildniß gerathen (*). Und ſind ſie juͤn-
ger geweſen, ſo muß man an ihnen mehr
eine beſondere Vorſicht des hoͤchſten We-
ſens bewundern, als durch ſie auf die Ge-
danken gerathen, das gantze menſchliche
Geſchlecht
nen nicht
wol ohne
Wartung
erwach-
ſen.
(*) Von dem jungen Maͤgdlein, welches man
anno 1717. im Monath Auguſt in dem Walde
von Cranenburg bey Schwoll in Ober-Yſſel ge-
funden, iſt gewiß, daß es 16. Monath alt gewe-
ſen, als es verlohren worden. Siehe des Herrn
D. Kœnigs Schediasma de hominum inter fe-
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