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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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und von einem Ort des Haufens zum
andern gehen können, als auch vermit-
telst der durchstreichenden Luft für der
Erstickung sicher seyn. Besonders kan
man bey den Spinnen deutlich sehen,
daß die unendliche Weißheit GOttes
sich bey Dingen äusere, die wir für
nichtswürdig achten. Eine junge
Spinne wird, wie ich wenigstens an
verschiedenen Arten wahrgenommen,
von Alten nicht ernähret, sondern so
bald sie aus ihrem Ey durch die Wär-
me der Luft ausgebrütet worden, lauft
sie fort, und spinnet ein zartes Netz,
worinne sie ihre Nahrung nemlich gantz
kleine Fliegen fänget. Dieses |Gewebe
ist nach allen Regeln der Kunst und
Ordnung ausgespannet. Man frage,
wer hat diese so kluge Regeln zuerst er-
sonnen und der Spinne gelehret? denn
sie selbst können wir unmöglich für die
Erfinderin derselben halten. Man
frage weiter, durch welche Vorsehung
ist es so weißlich eingerichtet, daß die
Spinne aus ihrem Ey so viel Nahrung
mitbringet, daß sie nicht nur einige Ta-
ge dadurch leben, sondern sich davon
auch ein Netz, neue Nahrung zu fan-
gen, aus sich selbst spinnen und weben
kan? Gewiß, wer hier die Weißheit
des Schöpfers nicht erblicket und seine

unend-





und von einem Ort des Haufens zum
andern gehen koͤnnen, als auch vermit-
telſt der durchſtreichenden Luft fuͤr der
Erſtickung ſicher ſeyn. Beſonders kan
man bey den Spinnen deutlich ſehen,
daß die unendliche Weißheit GOttes
ſich bey Dingen aͤuſere, die wir fuͤr
nichtswuͤrdig achten. Eine junge
Spinne wird, wie ich wenigſtens an
verſchiedenen Arten wahrgenommen,
von Alten nicht ernaͤhret, ſondern ſo
bald ſie aus ihrem Ey durch die Waͤr-
me der Luft ausgebruͤtet worden, lauft
ſie fort, und ſpinnet ein zartes Netz,
worinne ſie ihre Nahrung nemlich gantz
kleine Fliegen faͤnget. Dieſes |Gewebe
iſt nach allen Regeln der Kunſt und
Ordnung ausgeſpannet. Man frage,
wer hat dieſe ſo kluge Regeln zuerſt er-
ſonnen und der Spinne gelehret? denn
ſie ſelbſt koͤnnen wir unmoͤglich fuͤr die
Erfinderin derſelben halten. Man
frage weiter, durch welche Vorſehung
iſt es ſo weißlich eingerichtet, daß die
Spinne aus ihrem Ey ſo viel Nahrung
mitbringet, daß ſie nicht nur einige Ta-
ge dadurch leben, ſondern ſich davon
auch ein Netz, neue Nahrung zu fan-
gen, aus ſich ſelbſt ſpinnen und weben
kan? Gewiß, wer hier die Weißheit
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[334[330]/0366] und von einem Ort des Haufens zum andern gehen koͤnnen, als auch vermit- telſt der durchſtreichenden Luft fuͤr der Erſtickung ſicher ſeyn. Beſonders kan man bey den Spinnen deutlich ſehen, daß die unendliche Weißheit GOttes ſich bey Dingen aͤuſere, die wir fuͤr nichtswuͤrdig achten. Eine junge Spinne wird, wie ich wenigſtens an verſchiedenen Arten wahrgenommen, von Alten nicht ernaͤhret, ſondern ſo bald ſie aus ihrem Ey durch die Waͤr- me der Luft ausgebruͤtet worden, lauft ſie fort, und ſpinnet ein zartes Netz, worinne ſie ihre Nahrung nemlich gantz kleine Fliegen faͤnget. Dieſes |Gewebe iſt nach allen Regeln der Kunſt und Ordnung ausgeſpannet. Man frage, wer hat dieſe ſo kluge Regeln zuerſt er- ſonnen und der Spinne gelehret? denn ſie ſelbſt koͤnnen wir unmoͤglich fuͤr die Erfinderin derſelben halten. Man frage weiter, durch welche Vorſehung iſt es ſo weißlich eingerichtet, daß die Spinne aus ihrem Ey ſo viel Nahrung mitbringet, daß ſie nicht nur einige Ta- ge dadurch leben, ſondern ſich davon auch ein Netz, neue Nahrung zu fan- gen, aus ſich ſelbſt ſpinnen und weben kan? Gewiß, wer hier die Weißheit des Schoͤpfers nicht erblicket und ſeine unend-

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 334[330]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/366>, abgerufen am 22.11.2024.