Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.
Figur zu ihren Grundlinien gesuchet. Weil es nun nicht wol zu glauben, daß GOtt so edle Geister in so schlechte Cör- per gesetzet, so können wir nicht anders schliessen, als daß diese Thierchen nur wie Jnstrumente anzusehen, welche der Schöpfer dergestalt bereitet, daß sie oh- ne vernünftiges Nachsinnen und ohne Erkäntniß der Mathematick einen so geschickten und ordentlichen Bau auf- führen können. Die Weißheit, Ord- nung und Schönheit, die man darin- ne wahrnimmt, wird derowegen nicht den Bienen, sondern dem Schöpfer gantz allein zuzuschreiben seyn. Wer begreifft aber hieraus nicht auf das deut- lichste, daß sich das höchste Wesen auch um die Kleinigkeiten der Welt beküm- mere und für die Ordnung und Schön- heit derselben Sorge trage. Man ge- he hin zum Ameisenhaufen, man be- schaue das Gewebe einer Spinne; man wird eben diese göttliche Sorge wahr- nehmen. Auch in dem Ameisenhaufen ist eine erstaunenswürdige Ordnung. Es sind die kleinsten Stückgen Holtz dergestalt über einander gelegt, daß nicht nur artige Keller entstehen, worinne sie ihre Eyer verwahren; sondern auch durch und durch offene Gänge bleiben, damit sie sowol ein und auskommen und
Figur zu ihren Grundlinien geſuchet. Weil es nun nicht wol zu glauben, daß GOtt ſo edle Geiſter in ſo ſchlechte Coͤr- per geſetzet, ſo koͤnnen wir nicht anders ſchlieſſen, als daß dieſe Thierchen nur wie Jnſtrumente anzuſehen, welche der Schoͤpfer dergeſtalt bereitet, daß ſie oh- ne vernuͤnftiges Nachſinnen und ohne Erkaͤntniß der Mathematick einen ſo geſchickten und ordentlichen Bau auf- fuͤhren koͤnnen. Die Weißheit, Ord- nung und Schoͤnheit, die man darin- ne wahrnimmt, wird derowegen nicht den Bienen, ſondern dem Schoͤpfer gantz allein zuzuſchreiben ſeyn. Wer begreifft aber hieraus nicht auf das deut- lichſte, daß ſich das hoͤchſte Weſen auch um die Kleinigkeiten der Welt bekuͤm- mere und fuͤr die Ordnung und Schoͤn- heit derſelben Sorge trage. Man ge- he hin zum Ameiſenhaufen, man be- ſchaue das Gewebe einer Spinne; man wird eben dieſe goͤttliche Sorge wahr- nehmen. Auch in dem Ameiſenhaufen iſt eine erſtaunenswuͤrdige Ordnung. Es ſind die kleinſten Stuͤckgen Holtz dergeſtalt uͤber einander gelegt, daß nicht nur artige Keller entſtehen, worinne ſie ihre Eyer verwahren; ſondern auch durch und durch offene Gaͤnge bleiben, damit ſie ſowol ein und auskommen und
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0365" n="333[329]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> Figur zu ihren Grundlinien geſuchet.<lb/> Weil es nun nicht wol zu glauben, daß<lb/> GOtt ſo edle Geiſter in ſo ſchlechte Coͤr-<lb/> per geſetzet, ſo koͤnnen wir nicht anders<lb/> ſchlieſſen, als daß dieſe Thierchen nur<lb/> wie Jnſtrumente anzuſehen, welche der<lb/> Schoͤpfer dergeſtalt bereitet, daß ſie oh-<lb/> ne vernuͤnftiges Nachſinnen und ohne<lb/> Erkaͤntniß der Mathematick einen ſo<lb/> geſchickten und ordentlichen Bau auf-<lb/> fuͤhren koͤnnen. Die Weißheit, Ord-<lb/> nung und Schoͤnheit, die man darin-<lb/> ne wahrnimmt, wird derowegen nicht<lb/> den Bienen, ſondern dem Schoͤpfer<lb/> gantz allein zuzuſchreiben ſeyn. Wer<lb/> begreifft aber hieraus nicht auf das deut-<lb/> lichſte, daß ſich das hoͤchſte Weſen auch<lb/> um die Kleinigkeiten der Welt bekuͤm-<lb/> mere und fuͤr die Ordnung und Schoͤn-<lb/> heit derſelben Sorge trage. Man ge-<lb/> he hin zum Ameiſenhaufen, man be-<lb/> ſchaue das Gewebe einer Spinne; man<lb/> wird eben dieſe goͤttliche Sorge wahr-<lb/> nehmen. Auch in dem Ameiſenhaufen<lb/> iſt eine erſtaunenswuͤrdige Ordnung.<lb/> Es ſind die kleinſten Stuͤckgen Holtz<lb/> dergeſtalt uͤber einander gelegt, daß nicht<lb/> nur artige Keller entſtehen, worinne ſie<lb/> ihre Eyer verwahren; ſondern auch<lb/> durch und durch offene Gaͤnge bleiben,<lb/> damit ſie ſowol ein und auskommen<lb/> <fw place="bottom" type="catch">und</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [333[329]/0365]
Figur zu ihren Grundlinien geſuchet.
Weil es nun nicht wol zu glauben, daß
GOtt ſo edle Geiſter in ſo ſchlechte Coͤr-
per geſetzet, ſo koͤnnen wir nicht anders
ſchlieſſen, als daß dieſe Thierchen nur
wie Jnſtrumente anzuſehen, welche der
Schoͤpfer dergeſtalt bereitet, daß ſie oh-
ne vernuͤnftiges Nachſinnen und ohne
Erkaͤntniß der Mathematick einen ſo
geſchickten und ordentlichen Bau auf-
fuͤhren koͤnnen. Die Weißheit, Ord-
nung und Schoͤnheit, die man darin-
ne wahrnimmt, wird derowegen nicht
den Bienen, ſondern dem Schoͤpfer
gantz allein zuzuſchreiben ſeyn. Wer
begreifft aber hieraus nicht auf das deut-
lichſte, daß ſich das hoͤchſte Weſen auch
um die Kleinigkeiten der Welt bekuͤm-
mere und fuͤr die Ordnung und Schoͤn-
heit derſelben Sorge trage. Man ge-
he hin zum Ameiſenhaufen, man be-
ſchaue das Gewebe einer Spinne; man
wird eben dieſe goͤttliche Sorge wahr-
nehmen. Auch in dem Ameiſenhaufen
iſt eine erſtaunenswuͤrdige Ordnung.
Es ſind die kleinſten Stuͤckgen Holtz
dergeſtalt uͤber einander gelegt, daß nicht
nur artige Keller entſtehen, worinne ſie
ihre Eyer verwahren; ſondern auch
durch und durch offene Gaͤnge bleiben,
damit ſie ſowol ein und auskommen
und
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
| URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741 |
| URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/365 |
| Zitationshilfe: | Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 333[329]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/365>, abgerufen am 25.11.2024. |
