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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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seyn; so würde er sie so lange in das äuser-
ste Mißvergnügen setzen, als ihr Jrrthum
dauerte. Denn sie würden urtheilen,
das gröste Gut würde ihnen genommen,
und ein unbarmhertziger Entschluß des
Höchsten verdammte sie zu einem ewigen
Mißvergnügen. Sie würden den Tag
ihrer Geburt verfluchen und in einer be-
ständigen Unruhe ihr Leben fortsetzen,
wenn ein beständiger Zwang sie von dem
zurück hielte, was sie vor gut erkenneten,
und vor das eintzige hielten, so einen Geist
freudig machen könte. Und auf diese
Weise würden sie mehr Unlust empfinden,
als wenn ihnen GOtt die böse Lust schme-
cken, und das Verderben derselben her-
nachmals fühlen lässet. Denn so wech-
selt Vergnügen und Mißvergnügen noch
bey ihnen ab, und viele begreiffen endlich,
daß sie einen schädlichen Jrrthum geheget,
indem sie den Schaden, so er würcket,
selbst erfahren: und lernen das, was
warhaftig gut ist, erkennen, und erreichen
eine wahre und beständige Glückseeligkeit.
Viele gelangen auch durch solcher un-
glücklichen Geister Exempel gleich zu der
Erkäntniß des Guten, und bekommen
durch diese Erkäntniß eine Liebe zu demsel-
ben, welche vielleicht Zwangmittel der gött-
lichen Allmacht nicht würden angezündet
haben, indem sich Liebe nicht erzwingen
lässet.

§. 10.





ſeyn; ſo wuͤrde er ſie ſo lange in das aͤuſer-
ſte Mißvergnuͤgen ſetzen, als ihr Jrrthum
dauerte. Denn ſie wuͤrden urtheilen,
das groͤſte Gut wuͤrde ihnen genommen,
und ein unbarmhertziger Entſchluß des
Hoͤchſten verdammte ſie zu einem ewigen
Mißvergnuͤgen. Sie wuͤrden den Tag
ihrer Geburt verfluchen und in einer be-
ſtaͤndigen Unruhe ihr Leben fortſetzen,
wenn ein beſtaͤndiger Zwang ſie von dem
zuruͤck hielte, was ſie vor gut erkenneten,
und vor das eintzige hielten, ſo einen Geiſt
freudig machen koͤnte. Und auf dieſe
Weiſe wuͤrden ſie mehr Unluſt empfinden,
als wenn ihnen GOtt die boͤſe Luſt ſchme-
cken, und das Verderben derſelben her-
nachmals fuͤhlen laͤſſet. Denn ſo wech-
ſelt Vergnuͤgen und Mißvergnuͤgen noch
bey ihnen ab, und viele begreiffen endlich,
daß ſie einen ſchaͤdlichen Jrrthum geheget,
indem ſie den Schaden, ſo er wuͤrcket,
ſelbſt erfahren: und lernen das, was
warhaftig gut iſt, erkennen, und erreichen
eine wahre und beſtaͤndige Gluͤckſeeligkeit.
Viele gelangen auch durch ſolcher un-
gluͤcklichen Geiſter Exempel gleich zu der
Erkaͤntniß des Guten, und bekommen
durch dieſe Erkaͤntniß eine Liebe zu demſel-
ben, welche vielleicht Zwangmittel der goͤtt-
lichen Allmacht nicht wuͤrden angezuͤndet
haben, indem ſich Liebe nicht erzwingen
laͤſſet.

§. 10.
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[296[292]/0328] ſeyn; ſo wuͤrde er ſie ſo lange in das aͤuſer- ſte Mißvergnuͤgen ſetzen, als ihr Jrrthum dauerte. Denn ſie wuͤrden urtheilen, das groͤſte Gut wuͤrde ihnen genommen, und ein unbarmhertziger Entſchluß des Hoͤchſten verdammte ſie zu einem ewigen Mißvergnuͤgen. Sie wuͤrden den Tag ihrer Geburt verfluchen und in einer be- ſtaͤndigen Unruhe ihr Leben fortſetzen, wenn ein beſtaͤndiger Zwang ſie von dem zuruͤck hielte, was ſie vor gut erkenneten, und vor das eintzige hielten, ſo einen Geiſt freudig machen koͤnte. Und auf dieſe Weiſe wuͤrden ſie mehr Unluſt empfinden, als wenn ihnen GOtt die boͤſe Luſt ſchme- cken, und das Verderben derſelben her- nachmals fuͤhlen laͤſſet. Denn ſo wech- ſelt Vergnuͤgen und Mißvergnuͤgen noch bey ihnen ab, und viele begreiffen endlich, daß ſie einen ſchaͤdlichen Jrrthum geheget, indem ſie den Schaden, ſo er wuͤrcket, ſelbſt erfahren: und lernen das, was warhaftig gut iſt, erkennen, und erreichen eine wahre und beſtaͤndige Gluͤckſeeligkeit. Viele gelangen auch durch ſolcher un- gluͤcklichen Geiſter Exempel gleich zu der Erkaͤntniß des Guten, und bekommen durch dieſe Erkaͤntniß eine Liebe zu demſel- ben, welche vielleicht Zwangmittel der goͤtt- lichen Allmacht nicht wuͤrden angezuͤndet haben, indem ſich Liebe nicht erzwingen laͤſſet. §. 10.

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 296[292]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/328>, abgerufen am 28.11.2024.