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Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.

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derbter Geister mit sich, daß sie mitten in
den empfindlichsten Schmertzen sich noch
über ihre Boßheit freuen, und einander
die bösen Begierden noch ferner rege ma-
chen. Man gehe hin in die Gesellschafft
der Hurer, welche eben die härteste Straf-
fe ihrer Unzucht fühlen, hört man nicht
wol gar diese Worte: der sey noch kein
versuchter und hertzhaffter Mensch, der
nicht alle oder doch die mehresten Grade
der venerischen Kranckheiten mit einer
Großmuth ausgestanden, ein frisches Hertz
müste sich dadurch von nichts abschrecken
lassen? Ja hält man es wol nicht gar vor
eine Schande, wenn sich jemand durch
dergleichen Straffen will furchtsam ma-
chen lassen? Man höre die Säuffer re-
den, bereuen sie ihre Thorheit, wenn sie
vom starcken und überflüßigen Getränck
Schmertzen im Kopffe fühlen, und bessern
sie sich, wenn ihr Leib anfänget zu ver-
trocknen oder von ungesunden Wasser
aufzuschwellen. Schliesset man alsdenn
gleich die Sauff-Lieder? Höret man auf
einander in vollen Bechern Gesundheiten
zuzutrincken? Ach säufft man nicht, bis
man den äussersten Rand des Grabes be-
rühret? Was soll man denn wol anders

von





derbter Geiſter mit ſich, daß ſie mitten in
den empfindlichſten Schmertzen ſich noch
uͤber ihre Boßheit freuen, und einander
die boͤſen Begierden noch ferner rege ma-
chen. Man gehe hin in die Geſellſchafft
der Hurer, welche eben die haͤrteſte Straf-
fe ihrer Unzucht fuͤhlen, hoͤrt man nicht
wol gar dieſe Worte: der ſey noch kein
verſuchter und hertzhaffter Menſch, der
nicht alle oder doch die mehreſten Grade
der veneriſchen Kranckheiten mit einer
Großmuth ausgeſtanden, ein friſches Hertz
muͤſte ſich dadurch von nichts abſchrecken
laſſen? Ja haͤlt man es wol nicht gar vor
eine Schande, wenn ſich jemand durch
dergleichen Straffen will furchtſam ma-
chen laſſen? Man hoͤre die Saͤuffer re-
den, bereuen ſie ihre Thorheit, wenn ſie
vom ſtarcken und uͤberfluͤßigen Getraͤnck
Schmertzen im Kopffe fuͤhlen, und beſſern
ſie ſich, wenn ihr Leib anfaͤnget zu ver-
trocknen oder von ungeſunden Waſſer
aufzuſchwellen. Schlieſſet man alsdenn
gleich die Sauff-Lieder? Hoͤret man auf
einander in vollen Bechern Geſundheiten
zuzutrincken? Ach ſaͤufft man nicht, bis
man den aͤuſſerſten Rand des Grabes be-
ruͤhret? Was ſoll man denn wol anders

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[207[203]/0239] derbter Geiſter mit ſich, daß ſie mitten in den empfindlichſten Schmertzen ſich noch uͤber ihre Boßheit freuen, und einander die boͤſen Begierden noch ferner rege ma- chen. Man gehe hin in die Geſellſchafft der Hurer, welche eben die haͤrteſte Straf- fe ihrer Unzucht fuͤhlen, hoͤrt man nicht wol gar dieſe Worte: der ſey noch kein verſuchter und hertzhaffter Menſch, der nicht alle oder doch die mehreſten Grade der veneriſchen Kranckheiten mit einer Großmuth ausgeſtanden, ein friſches Hertz muͤſte ſich dadurch von nichts abſchrecken laſſen? Ja haͤlt man es wol nicht gar vor eine Schande, wenn ſich jemand durch dergleichen Straffen will furchtſam ma- chen laſſen? Man hoͤre die Saͤuffer re- den, bereuen ſie ihre Thorheit, wenn ſie vom ſtarcken und uͤberfluͤßigen Getraͤnck Schmertzen im Kopffe fuͤhlen, und beſſern ſie ſich, wenn ihr Leib anfaͤnget zu ver- trocknen oder von ungeſunden Waſſer aufzuſchwellen. Schlieſſet man alsdenn gleich die Sauff-Lieder? Hoͤret man auf einander in vollen Bechern Geſundheiten zuzutrincken? Ach ſaͤufft man nicht, bis man den aͤuſſerſten Rand des Grabes be- ruͤhret? Was ſoll man denn wol anders von

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Zitationshilfe: Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741, S. 207[203]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_betrachtungen01_1741/239>, abgerufen am 27.11.2024.