Jacobi, Johann Friedrich: Betrachtungen über die Weisen Absichten Gottes, bey denen Dingen, die wir in der menschlichen Gesellschaft und der Offenbahrung antreffen. Bd. 1. Göttingen, 1741.ihr Fleiß und Mäßigkeit ernehret, und ih- re Leutseligkeit bey andern beliebt macht. Sie könnten ihres Wunsches gewähret werden, wenn sie ihre Neigungen änder- ten. Ehe sie selbige aber ablegen, bleiben sie lieber ein Abscheu anderer Leute, und ein Muster solcher, welche lieber in Lastern höchst unglücklich, als bey der Tugend glückselig seyn wollen. Man betrachte fer- ner Leute, welche einmahl eine Gewohn- heit in der Völlerey erhalten oder auch dem Zorne ergeben sind, werden sie auch wol durch die herbesten Schmertzen, wel- che sie sich dadurch zuziehen, gebessert? Ge- wiß unter tausenden kaum einer. Und gleiche Macht bekommen auch andere Be- gierden über uns, wenn wir ihnen eine Zeitlang nachhangen. Aeussern aber die einmahl angewöhnten Neigungen in die- ser Welt schon eine so grosse Gewalt, da die Menschen noch in einer Gesellschafft le- ben, in welcher sie durch das Wort GOt- tes zur Tugend aufgemuntort werden, was wird denn in der Hölle geschehen, wenn keiner den andern mehr zur wahren Gott- seligkeit vermahnet; sondern vielmehr ei- ner den andern in der Boßheit stärcket? Denn auch dieses bringet die Natur ver- derbter
ihr Fleiß und Maͤßigkeit ernehret, und ih- re Leutſeligkeit bey andern beliebt macht. Sie koͤnnten ihres Wunſches gewaͤhret werden, wenn ſie ihre Neigungen aͤnder- ten. Ehe ſie ſelbige aber ablegen, bleiben ſie lieber ein Abſcheu anderer Leute, und ein Muſter ſolcher, welche lieber in Laſtern hoͤchſt ungluͤcklich, als bey der Tugend gluͤckſelig ſeyn wollen. Man betrachte fer- ner Leute, welche einmahl eine Gewohn- heit in der Voͤllerey erhalten oder auch dem Zorne ergeben ſind, werden ſie auch wol durch die herbeſten Schmertzen, wel- che ſie ſich dadurch zuziehen, gebeſſert? Ge- wiß unter tauſenden kaum einer. Und gleiche Macht bekommen auch andere Be- gierden uͤber uns, wenn wir ihnen eine Zeitlang nachhangen. Aeuſſern aber die einmahl angewoͤhnten Neigungen in die- ſer Welt ſchon eine ſo groſſe Gewalt, da die Menſchen noch in einer Geſellſchafft le- ben, in welcher ſie durch das Wort GOt- tes zur Tugend aufgemuntort werden, was wird denn in der Hoͤlle geſchehen, wenn keiner den andern mehr zur wahren Gott- ſeligkeit vermahnet; ſondern vielmehr ei- ner den andern in der Boßheit ſtaͤrcket? Denn auch dieſes bringet die Natur ver- derbter
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0238" n="206[202]"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> ihr Fleiß und Maͤßigkeit ernehret, und ih-<lb/> re Leutſeligkeit bey andern beliebt macht.<lb/> Sie koͤnnten ihres Wunſches gewaͤhret<lb/> werden, wenn ſie ihre Neigungen aͤnder-<lb/> ten. Ehe ſie ſelbige aber ablegen, bleiben<lb/> ſie lieber ein Abſcheu anderer Leute, und<lb/> ein Muſter ſolcher, welche lieber in Laſtern<lb/> hoͤchſt ungluͤcklich, als bey der Tugend<lb/> gluͤckſelig ſeyn wollen. Man betrachte fer-<lb/> ner Leute, welche einmahl eine Gewohn-<lb/> heit in der Voͤllerey erhalten oder auch<lb/> dem Zorne ergeben ſind, werden ſie auch<lb/> wol durch die herbeſten Schmertzen, wel-<lb/> che ſie ſich dadurch zuziehen, gebeſſert? Ge-<lb/> wiß unter tauſenden kaum einer. Und<lb/> gleiche Macht bekommen auch andere Be-<lb/> gierden uͤber uns, wenn wir ihnen eine<lb/> Zeitlang nachhangen. Aeuſſern aber die<lb/> einmahl angewoͤhnten Neigungen in die-<lb/> ſer Welt ſchon eine ſo groſſe Gewalt, da<lb/> die Menſchen noch in einer Geſellſchafft le-<lb/> ben, in welcher ſie durch das Wort GOt-<lb/> tes zur Tugend aufgemuntort werden, was<lb/> wird denn in der Hoͤlle geſchehen, wenn<lb/> keiner den andern mehr zur wahren Gott-<lb/> ſeligkeit vermahnet; ſondern vielmehr ei-<lb/> ner den andern in der Boßheit ſtaͤrcket?<lb/> Denn auch dieſes bringet die Natur ver-<lb/> <fw place="bottom" type="catch">derbter</fw><lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [206[202]/0238]
ihr Fleiß und Maͤßigkeit ernehret, und ih-
re Leutſeligkeit bey andern beliebt macht.
Sie koͤnnten ihres Wunſches gewaͤhret
werden, wenn ſie ihre Neigungen aͤnder-
ten. Ehe ſie ſelbige aber ablegen, bleiben
ſie lieber ein Abſcheu anderer Leute, und
ein Muſter ſolcher, welche lieber in Laſtern
hoͤchſt ungluͤcklich, als bey der Tugend
gluͤckſelig ſeyn wollen. Man betrachte fer-
ner Leute, welche einmahl eine Gewohn-
heit in der Voͤllerey erhalten oder auch
dem Zorne ergeben ſind, werden ſie auch
wol durch die herbeſten Schmertzen, wel-
che ſie ſich dadurch zuziehen, gebeſſert? Ge-
wiß unter tauſenden kaum einer. Und
gleiche Macht bekommen auch andere Be-
gierden uͤber uns, wenn wir ihnen eine
Zeitlang nachhangen. Aeuſſern aber die
einmahl angewoͤhnten Neigungen in die-
ſer Welt ſchon eine ſo groſſe Gewalt, da
die Menſchen noch in einer Geſellſchafft le-
ben, in welcher ſie durch das Wort GOt-
tes zur Tugend aufgemuntort werden, was
wird denn in der Hoͤlle geſchehen, wenn
keiner den andern mehr zur wahren Gott-
ſeligkeit vermahnet; ſondern vielmehr ei-
ner den andern in der Boßheit ſtaͤrcket?
Denn auch dieſes bringet die Natur ver-
derbter
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |