Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.-- -- -- Genug, Erhard; so unwissend, fahrung; sie wird gewahr, was sich in dem
Subject ihrer Wahrnehmung jetzt schlechter- dings nicht findet. Also sieht die Begierde weiter, als die Empfindung reicht; sie er- blickt, was die entgegengesetzte Empfindung hervorbringen und das mit Untergang be- drohte Wesen retten kann. Dieser innerliche Arzt, Rath und Helfer, ist die Kraft selbst, welche in jedem einzel- nen Wesen, Endliches und Unendliches auf eine gemessene Art verknüpft und zu- sammenhält: Die Seele. Die Erkennt- niß, welche sie beweist, kann sie nicht aus ihrem Körper, dessen Daseyn und Leben sie verursacht; nicht aus den Erfahrungen, die sie in Gemeinschaft mit ihm machte, her- nehmen; denn jene Erkenntniß gieng vor diesen Erfahrungen her und machte sie erst möglich. Da also diese Erkenntniß vorher gedacht werden muß, so erscheint sie in dem gegenwärtigen Zustande als Besin- — — — Genug, Erhard; ſo unwiſſend, fahrung; ſie wird gewahr, was ſich in dem
Subject ihrer Wahrnehmung jetzt ſchlechter- dings nicht findet. Alſo ſieht die Begierde weiter, als die Empfindung reicht; ſie er- blickt, was die entgegengeſetzte Empfindung hervorbringen und das mit Untergang be- drohte Weſen retten kann. Dieſer innerliche Arzt, Rath und Helfer, iſt die Kraft ſelbſt, welche in jedem einzel- nen Weſen, Endliches und Unendliches auf eine gemeſſene Art verknuͤpft und zu- ſammenhaͤlt: Die Seele. Die Erkennt- niß, welche ſie beweiſt, kann ſie nicht aus ihrem Koͤrper, deſſen Daſeyn und Leben ſie verurſacht; nicht aus den Erfahrungen, die ſie in Gemeinſchaft mit ihm machte, her- nehmen; denn jene Erkenntniß gieng vor dieſen Erfahrungen her und machte ſie erſt moͤglich. Da alſo dieſe Erkenntniß vorher gedacht werden muß, ſo erſcheint ſie in dem gegenwaͤrtigen Zuſtande als Beſin- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0344" n="306"/> <p>— — — Genug, Erhard; ſo unwiſſend,<lb/> ganz ſo unwiſſend, wie ich Dir ſage, <hi rendition="#g">bin</hi> ich.<lb/> Unwiſſend in einem Maaße, daß ich den<lb/><note next="#seg2pn_4_3" xml:id="seg2pn_4_2" prev="#seg2pn_4_1" place="foot" n="(*)">fahrung; ſie wird gewahr, was ſich in dem<lb/> Subject ihrer Wahrnehmung jetzt ſchlechter-<lb/> dings nicht findet. Alſo ſieht die Begierde<lb/> weiter, als die Empfindung reicht; ſie er-<lb/> blickt, was die entgegengeſetzte Empfindung<lb/> hervorbringen und das mit Untergang be-<lb/> drohte Weſen retten kann.<lb/> Dieſer innerliche Arzt, Rath und Helfer,<lb/> iſt die Kraft ſelbſt, welche in jedem einzel-<lb/> nen Weſen, Endliches und Unendliches<lb/> auf eine gemeſſene Art verknuͤpft und zu-<lb/> ſammenhaͤlt: Die <hi rendition="#g">Seele</hi>. Die Erkennt-<lb/> niß, welche ſie beweiſt, kann ſie nicht aus<lb/> ihrem Koͤrper, deſſen Daſeyn und Leben ſie<lb/><hi rendition="#g">verurſacht</hi>; nicht aus den Erfahrungen,<lb/> die ſie in Gemeinſchaft mit ihm machte, her-<lb/> nehmen; denn jene Erkenntniß gieng vor<lb/> dieſen Erfahrungen her und machte ſie erſt<lb/> moͤglich. Da alſo dieſe Erkenntniß <hi rendition="#g">vorher</hi><lb/> gedacht werden muß, ſo erſcheint ſie in<lb/> dem <hi rendition="#g">gegenwaͤrtigen</hi> Zuſtande als <hi rendition="#g">Beſin-</hi></note><lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [306/0344]
— — — Genug, Erhard; ſo unwiſſend,
ganz ſo unwiſſend, wie ich Dir ſage, bin ich.
Unwiſſend in einem Maaße, daß ich den
(*)
(*) fahrung; ſie wird gewahr, was ſich in dem
Subject ihrer Wahrnehmung jetzt ſchlechter-
dings nicht findet. Alſo ſieht die Begierde
weiter, als die Empfindung reicht; ſie er-
blickt, was die entgegengeſetzte Empfindung
hervorbringen und das mit Untergang be-
drohte Weſen retten kann.
Dieſer innerliche Arzt, Rath und Helfer,
iſt die Kraft ſelbſt, welche in jedem einzel-
nen Weſen, Endliches und Unendliches
auf eine gemeſſene Art verknuͤpft und zu-
ſammenhaͤlt: Die Seele. Die Erkennt-
niß, welche ſie beweiſt, kann ſie nicht aus
ihrem Koͤrper, deſſen Daſeyn und Leben ſie
verurſacht; nicht aus den Erfahrungen,
die ſie in Gemeinſchaft mit ihm machte, her-
nehmen; denn jene Erkenntniß gieng vor
dieſen Erfahrungen her und machte ſie erſt
moͤglich. Da alſo dieſe Erkenntniß vorher
gedacht werden muß, ſo erſcheint ſie in
dem gegenwaͤrtigen Zuſtande als Beſin-
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/344 |
Zitationshilfe: | Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 306. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/344>, abgerufen am 29.07.2024. |