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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiser;
und so mußten Sie bald nur desto thörichter,
desto unglücklicher werden. Es kann nicht
anders seyn, die unbesonnene Heftigkeit, wo-
mit Sie überall sich anwerfen, so vielfach sich
zertrennen, muß die ungereimteste Verwirrung
in Ihrem Wesen verursachen, der gänzlichen
Zerrüttung es immer näher bringen. Alle
Hände voll, wollen Sie noch immer mehr
greifen, und können dann weder fassen noch
halten. Ueberdem soll sich jeder Gegenstand
des Genusses Ihnen noch in jedem andern Ge-
genstande vervielfältigen. Sie sind gerade
der Mann, über den Sie spotteten, der von
einem Oranienbaum Castanien, und von
einem Castanienbaum Pomeranzen verlangt;
die leichtfertige Dirne soll auch die hohen Reize,
alle Tugenden, die Liebe eines frommen
Mädchen; und das fromme Mädchen wieder,
die schnöden Annehmlichkeiten, die ganze Thor-
heit der leichtfertigen Dirne besitzen: und wenn
dergleichen sich nicht findet, dann ist es eine
Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob

auch

Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiſer;
und ſo mußten Sie bald nur deſto thoͤrichter,
deſto ungluͤcklicher werden. Es kann nicht
anders ſeyn, die unbeſonnene Heftigkeit, wo-
mit Sie uͤberall ſich anwerfen, ſo vielfach ſich
zertrennen, muß die ungereimteſte Verwirrung
in Ihrem Weſen verurſachen, der gaͤnzlichen
Zerruͤttung es immer naͤher bringen. Alle
Haͤnde voll, wollen Sie noch immer mehr
greifen, und koͤnnen dann weder faſſen noch
halten. Ueberdem ſoll ſich jeder Gegenſtand
des Genuſſes Ihnen noch in jedem andern Ge-
genſtande vervielfaͤltigen. Sie ſind gerade
der Mann, uͤber den Sie ſpotteten, der von
einem Oranienbaum Caſtanien, und von
einem Caſtanienbaum Pomeranzen verlangt;
die leichtfertige Dirne ſoll auch die hohen Reize,
alle Tugenden, die Liebe eines frommen
Maͤdchen; und das fromme Maͤdchen wieder,
die ſchnoͤden Annehmlichkeiten, die ganze Thor-
heit der leichtfertigen Dirne beſitzen: und wenn
dergleichen ſich nicht findet, dann iſt es eine
Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob

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[256/0294] Allwill! Sie wurden dennoch nicht weiſer; und ſo mußten Sie bald nur deſto thoͤrichter, deſto ungluͤcklicher werden. Es kann nicht anders ſeyn, die unbeſonnene Heftigkeit, wo- mit Sie uͤberall ſich anwerfen, ſo vielfach ſich zertrennen, muß die ungereimteſte Verwirrung in Ihrem Weſen verurſachen, der gaͤnzlichen Zerruͤttung es immer naͤher bringen. Alle Haͤnde voll, wollen Sie noch immer mehr greifen, und koͤnnen dann weder faſſen noch halten. Ueberdem ſoll ſich jeder Gegenſtand des Genuſſes Ihnen noch in jedem andern Ge- genſtande vervielfaͤltigen. Sie ſind gerade der Mann, uͤber den Sie ſpotteten, der von einem Oranienbaum Caſtanien, und von einem Caſtanienbaum Pomeranzen verlangt; die leichtfertige Dirne ſoll auch die hohen Reize, alle Tugenden, die Liebe eines frommen Maͤdchen; und das fromme Maͤdchen wieder, die ſchnoͤden Annehmlichkeiten, die ganze Thor- heit der leichtfertigen Dirne beſitzen: und wenn dergleichen ſich nicht findet, dann iſt es eine Noth, ein Jammer, daß man zweifelt, ob auch

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 256. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/294>, abgerufen am 25.11.2024.