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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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"schlafen, früh beym Erwachen, in jedem
"stillen Augenblicke mein Wiener Aufenthalt
"mir vor die Seele trat; mancher verblichene
"Rest des Vergangenen neues Leben erhielt;
"was in Beziehung stand, sich einigte; alles
"auf einander wog, ganzer und inniger wur-
"de -- und ich nun über vieles, o! über so
"vieles in herbes, tiefes Trauern versank; so
"fuhr es mir wohl unversehens, wie ein gifti-
"ger Pfeil, durch die Brust: was soll dein
"Jammer, deine Reue, dein Klagen? Es
"ist nur Hohn damit! Ein unbezwinglicher
"Leichtsinn, eine verruchte Achtlosigkeit,
"liegt zu tief in deiner brausenden, unauf-
"hörlich gährenden Natur. Wer dich
"kennt, traut dir nicht, liebt dich nicht! --
"O Luzie! bis zur Verwirrung hats mich fast
"gebracht, dies Sinnen über mich selbst, dies
"Hadern mit mir. -- Ich möchte nicht alles
"erzählen, wenn ich auch könnte."

Wie groß, wie lieb! Damals, wie nah
mein Eduard den Besten seiner Gattung! --

„ſchlafen, fruͤh beym Erwachen, in jedem
„ſtillen Augenblicke mein Wiener Aufenthalt
„mir vor die Seele trat; mancher verblichene
„Reſt des Vergangenen neues Leben erhielt;
„was in Beziehung ſtand, ſich einigte; alles
„auf einander wog, ganzer und inniger wur-
„de — und ich nun uͤber vieles, o! uͤber ſo
„vieles in herbes, tiefes Trauern verſank; ſo
„fuhr es mir wohl unverſehens, wie ein gifti-
„ger Pfeil, durch die Bruſt: was ſoll dein
„Jammer, deine Reue, dein Klagen? Es
„iſt nur Hohn damit! Ein unbezwinglicher
„Leichtſinn, eine verruchte Achtloſigkeit,
„liegt zu tief in deiner brauſenden, unauf-
„hoͤrlich gaͤhrenden Natur. Wer dich
„kennt, traut dir nicht, liebt dich nicht! —
„O Luzie! bis zur Verwirrung hats mich faſt
„gebracht, dies Sinnen uͤber mich ſelbſt, dies
„Hadern mit mir. — Ich moͤchte nicht alles
„erzaͤhlen, wenn ich auch koͤnnte.”

Wie groß, wie lieb! Damals, wie nah
mein Eduard den Beſten ſeiner Gattung! —

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[255/0293] „ſchlafen, fruͤh beym Erwachen, in jedem „ſtillen Augenblicke mein Wiener Aufenthalt „mir vor die Seele trat; mancher verblichene „Reſt des Vergangenen neues Leben erhielt; „was in Beziehung ſtand, ſich einigte; alles „auf einander wog, ganzer und inniger wur- „de — und ich nun uͤber vieles, o! uͤber ſo „vieles in herbes, tiefes Trauern verſank; ſo „fuhr es mir wohl unverſehens, wie ein gifti- „ger Pfeil, durch die Bruſt: was ſoll dein „Jammer, deine Reue, dein Klagen? Es „iſt nur Hohn damit! Ein unbezwinglicher „Leichtſinn, eine verruchte Achtloſigkeit, „liegt zu tief in deiner brauſenden, unauf- „hoͤrlich gaͤhrenden Natur. Wer dich „kennt, traut dir nicht, liebt dich nicht! — „O Luzie! bis zur Verwirrung hats mich faſt „gebracht, dies Sinnen uͤber mich ſelbſt, dies „Hadern mit mir. — Ich moͤchte nicht alles „erzaͤhlen, wenn ich auch koͤnnte.” Wie groß, wie lieb! Damals, wie nah mein Eduard den Beſten ſeiner Gattung! —

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 255. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/293>, abgerufen am 25.11.2024.