Ich habe eine solche hohe Idee von Ihren phi- losophischen Gaben, daß ich Ihnen beynah das Unmögliche zutraue. Allein Ihrem Herzen sey es anheim gegeben, wo die Fülle der Wahrheit ist; dort oder hier. Sie glauben ja Ihrem Herzen alles; ich glaube ihm auch. Fragen Sie Ihr Herz, wann es sich am freye- sten fühlte; wo es ganz einstimmte und mit Ihren Gedanken gleichen Strohm nahm: ob bey den Briefen an D**, oder bey dem an mich?
Lieber, offener -- königlicher Jüngling! Ach, so tief herabgewürdigt -- zum bangen, schielenden Sophisten!
Sie erinnern sich wohl schwerlich eines Briefes, den Sie mir vor anderthalb Jahren schrieben; es war einer der ersten, nachdem Sie Wien verlassen hatten. Ich bin äusserst ver- sucht, ihn hier ganz abzuschreiben; aber lesen Sie nur folgende Stellen wieder: "Wenn in "den vergangenen Tagen, Nachts vor Ein-
Ich habe eine ſolche hohe Idee von Ihren phi- loſophiſchen Gaben, daß ich Ihnen beynah das Unmoͤgliche zutraue. Allein Ihrem Herzen ſey es anheim gegeben, wo die Fuͤlle der Wahrheit iſt; dort oder hier. Sie glauben ja Ihrem Herzen alles; ich glaube ihm auch. Fragen Sie Ihr Herz, wann es ſich am freye- ſten fuͤhlte; wo es ganz einſtimmte und mit Ihren Gedanken gleichen Strohm nahm: ob bey den Briefen an D**, oder bey dem an mich?
Sie erinnern ſich wohl ſchwerlich eines Briefes, den Sie mir vor anderthalb Jahren ſchrieben; es war einer der erſten, nachdem Sie Wien verlaſſen hatten. Ich bin aͤuſſerſt ver- ſucht, ihn hier ganz abzuſchreiben; aber leſen Sie nur folgende Stellen wieder: „Wenn in „den vergangenen Tagen, Nachts vor Ein-
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Ich habe eine ſolche hohe Idee von Ihren phi-
loſophiſchen Gaben, daß ich Ihnen beynah das
Unmoͤgliche zutraue. Allein Ihrem Herzen
ſey es anheim gegeben, wo die Fuͤlle der
Wahrheit iſt; dort oder hier. Sie glauben
ja Ihrem Herzen alles; ich glaube ihm auch.
Fragen Sie Ihr Herz, wann es ſich am freye-
ſten fuͤhlte; wo es ganz einſtimmte und mit
Ihren Gedanken gleichen Strohm nahm: ob
bey den Briefen an D**, oder bey dem an
mich?
Lieber, offener — koͤniglicher Juͤngling!
Ach, ſo tief herabgewuͤrdigt — zum bangen,
ſchielenden Sophiſten!
Sie erinnern ſich wohl ſchwerlich eines
Briefes, den Sie mir vor anderthalb Jahren
ſchrieben; es war einer der erſten, nachdem Sie
Wien verlaſſen hatten. Ich bin aͤuſſerſt ver-
ſucht, ihn hier ganz abzuſchreiben; aber leſen
Sie nur folgende Stellen wieder: „Wenn in
„den vergangenen Tagen, Nachts vor Ein-
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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 254. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/292>, abgerufen am 25.11.2024.
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