Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

Bild:
<< vorherige Seite

Körper, wie eine Blume die verwelkt, ein
Bach der vorbey fließt, ein Gebäude das steht
und hinfällt, ein Farbengemenge das Ge-
mählde heißt, wenn unsere Einbildungs-
kraft Gestalt hineinträgt; ein mit etwas
Glanz überzogenes Metall: so würden die
Menschen auf Dich merken, und Dir, in
ihrer Thorheit, das Vermögen zuerkennen,
ihnen einige Freude zu gewähren; obgleich
Freude von nichts Seellosem ausgehen kann,
sondern allein von Dir, Du Quelle des Lebens
und alles Genusses. Wärest Du also nur ein
Wesen gröberer Art, hinfällig, leblos, eine
Masse ohne Selbstvermögen, nur der Schat-
ten
eines Wesens; so würde Deine nichtige
Natur unsere Nichtigkeit beschäftigen; Du
wärest dann ein angemessener Gegenstand für
unsere niedrigen und thierischen Gedanken.
Weil Du aber zu sehr in ihnen selbst bist, wo
sie nie einkehren; so bist Du ihnen ein ver-
borgener Gott. Denn dieses Innere ihrer
selbst ist am weitesten von ihrem irre gewor-
denen Blick entfernt. Die Ordnung und

Koͤrper, wie eine Blume die verwelkt, ein
Bach der vorbey fließt, ein Gebaͤude das ſteht
und hinfaͤllt, ein Farbengemenge das Ge-
maͤhlde heißt, wenn unſere Einbildungs-
kraft Geſtalt hineintraͤgt; ein mit etwas
Glanz uͤberzogenes Metall: ſo wuͤrden die
Menſchen auf Dich merken, und Dir, in
ihrer Thorheit, das Vermoͤgen zuerkennen,
ihnen einige Freude zu gewaͤhren; obgleich
Freude von nichts Seelloſem ausgehen kann,
ſondern allein von Dir, Du Quelle des Lebens
und alles Genuſſes. Waͤreſt Du alſo nur ein
Weſen groͤberer Art, hinfaͤllig, leblos, eine
Maſſe ohne Selbſtvermoͤgen, nur der Schat-
ten
eines Weſens; ſo wuͤrde Deine nichtige
Natur unſere Nichtigkeit beſchaͤftigen; Du
waͤreſt dann ein angemeſſener Gegenſtand fuͤr
unſere niedrigen und thieriſchen Gedanken.
Weil Du aber zu ſehr in ihnen ſelbſt biſt, wo
ſie nie einkehren; ſo biſt Du ihnen ein ver-
borgener Gott. Denn dieſes Innere ihrer
ſelbſt iſt am weiteſten von ihrem irre gewor-
denen Blick entfernt. Die Ordnung und

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div>
            <p><pb facs="#f0252" n="214"/>
Ko&#x0364;rper, wie eine Blume die verwelkt, ein<lb/>
Bach der vorbey fließt, ein Geba&#x0364;ude das &#x017F;teht<lb/>
und hinfa&#x0364;llt, ein Farbengemenge das Ge-<lb/>
ma&#x0364;hlde heißt, wenn un&#x017F;ere Einbildungs-<lb/>
kraft Ge&#x017F;talt hineintra&#x0364;gt; ein mit etwas<lb/>
Glanz u&#x0364;berzogenes Metall: &#x017F;o wu&#x0364;rden die<lb/>
Men&#x017F;chen auf Dich merken, und Dir, in<lb/>
ihrer Thorheit, das Vermo&#x0364;gen zuerkennen,<lb/>
ihnen einige Freude zu gewa&#x0364;hren; obgleich<lb/>
Freude von nichts Seello&#x017F;em ausgehen kann,<lb/>
&#x017F;ondern allein von Dir, Du Quelle des Lebens<lb/>
und alles Genu&#x017F;&#x017F;es. Wa&#x0364;re&#x017F;t Du al&#x017F;o nur ein<lb/>
We&#x017F;en gro&#x0364;berer Art, hinfa&#x0364;llig, leblos, eine<lb/>
Ma&#x017F;&#x017F;e ohne Selb&#x017F;tvermo&#x0364;gen, nur der <hi rendition="#g">Schat-<lb/>
ten</hi> eines We&#x017F;ens; &#x017F;o wu&#x0364;rde Deine nichtige<lb/>
Natur un&#x017F;ere Nichtigkeit be&#x017F;cha&#x0364;ftigen; Du<lb/>
wa&#x0364;re&#x017F;t dann ein angeme&#x017F;&#x017F;ener Gegen&#x017F;tand fu&#x0364;r<lb/>
un&#x017F;ere niedrigen und thieri&#x017F;chen Gedanken.<lb/>
Weil Du aber zu &#x017F;ehr in ihnen &#x017F;elb&#x017F;t bi&#x017F;t, wo<lb/>
&#x017F;ie nie einkehren; &#x017F;o bi&#x017F;t Du ihnen ein ver-<lb/>
borgener Gott. Denn die&#x017F;es Innere ihrer<lb/>
&#x017F;elb&#x017F;t i&#x017F;t am weite&#x017F;ten von ihrem irre gewor-<lb/>
denen Blick entfernt. Die Ordnung und<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[214/0252] Koͤrper, wie eine Blume die verwelkt, ein Bach der vorbey fließt, ein Gebaͤude das ſteht und hinfaͤllt, ein Farbengemenge das Ge- maͤhlde heißt, wenn unſere Einbildungs- kraft Geſtalt hineintraͤgt; ein mit etwas Glanz uͤberzogenes Metall: ſo wuͤrden die Menſchen auf Dich merken, und Dir, in ihrer Thorheit, das Vermoͤgen zuerkennen, ihnen einige Freude zu gewaͤhren; obgleich Freude von nichts Seelloſem ausgehen kann, ſondern allein von Dir, Du Quelle des Lebens und alles Genuſſes. Waͤreſt Du alſo nur ein Weſen groͤberer Art, hinfaͤllig, leblos, eine Maſſe ohne Selbſtvermoͤgen, nur der Schat- ten eines Weſens; ſo wuͤrde Deine nichtige Natur unſere Nichtigkeit beſchaͤftigen; Du waͤreſt dann ein angemeſſener Gegenſtand fuͤr unſere niedrigen und thieriſchen Gedanken. Weil Du aber zu ſehr in ihnen ſelbſt biſt, wo ſie nie einkehren; ſo biſt Du ihnen ein ver- borgener Gott. Denn dieſes Innere ihrer ſelbſt iſt am weiteſten von ihrem irre gewor- denen Blick entfernt. Die Ordnung und

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/252
Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/252>, abgerufen am 22.11.2024.