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Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792.

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Schönheit, die auf dem Angesicht Deiner Ge-
schöpfe strahlt, ist wie ein Schleyer, der Dich
ihrem kranken Auge entzieht."

Sage, liebe Amalia! ist es Dir nie auf-
gefallen, -- so daß Du dabey stehen geblieben,
lange stehen geblieben wärest -- dabey:
daß der Mensch sich entschließen kann zu
sterben
?

Zu wählen zwischen Tod und Leben ver-
mag kein Thier: es hat nur sinnliche Triebe,
die alle auf Erhaltung gehen, die es zwin-
gen
, nur sein Daseyn auf der Erde fort-
zusetzen.

Der Mensch vermag es.

Du wähltest Leben, und ich
wählte Tod
!

sagt Antigone zu ihrer Schwester Ismene.

O 4

Schoͤnheit, die auf dem Angeſicht Deiner Ge-
ſchoͤpfe ſtrahlt, iſt wie ein Schleyer, der Dich
ihrem kranken Auge entzieht.“

Sage, liebe Amalia! iſt es Dir nie auf-
gefallen, — ſo daß Du dabey ſtehen geblieben,
lange ſtehen geblieben waͤreſt — dabey:
daß der Menſch ſich entſchließen kann zu
ſterben
?

Zu waͤhlen zwiſchen Tod und Leben ver-
mag kein Thier: es hat nur ſinnliche Triebe,
die alle auf Erhaltung gehen, die es zwin-
gen
, nur ſein Daſeyn auf der Erde fort-
zuſetzen.

Der Menſch vermag es.

Du waͤhlteſt Leben, und ich
waͤhlte Tod
!

ſagt Antigone zu ihrer Schweſter Ismene.

O 4
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[215/0253] Schoͤnheit, die auf dem Angeſicht Deiner Ge- ſchoͤpfe ſtrahlt, iſt wie ein Schleyer, der Dich ihrem kranken Auge entzieht.“ Sage, liebe Amalia! iſt es Dir nie auf- gefallen, — ſo daß Du dabey ſtehen geblieben, lange ſtehen geblieben waͤreſt — dabey: daß der Menſch ſich entſchließen kann zu ſterben? Zu waͤhlen zwiſchen Tod und Leben ver- mag kein Thier: es hat nur ſinnliche Triebe, die alle auf Erhaltung gehen, die es zwin- gen, nur ſein Daſeyn auf der Erde fort- zuſetzen. Der Menſch vermag es. Du waͤhlteſt Leben, und ich waͤhlte Tod! ſagt Antigone zu ihrer Schweſter Ismene. O 4

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Zitationshilfe: Jacobi, Friedrich Heinrich: Eduard Allwills Briefsammlung. Mit einer Zugabe von eigenen Briefen. Königsberg, 1792, S. 215. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/jacobi_allwill_1792/253>, abgerufen am 11.06.2024.