Schulter, dergestalt, daß der Spielmann wie eine Jacke ohne körperlichen Inhalt hin und her flog, und rief: Hallunke, was hast du gestohlen?
Nichts, versetzte der Spielmann, der ungeachtet aller Angst vor dem baumstarken Knechte den Trotz beibehielt, der solchen Leuten in solchen Lagen eigen zu seyn pflegt; seht Ihr etwas bei mir? -- Wirklich trug der Spielmann nichts mehr unter dem Arme. Der Knecht untersuchte seine Klei- dungsstücke, aber auch in denen war nichts zu entdecken. Außer der alten grauen Jacke, den zerrissenen und geflickten Hosen und seinem eigenen armseligen Leibe führte er nichts an und bei sich. Der Knecht ließ die Hände sinken und sah aus wie Einer, der nicht weiß, was er thun oder denken soll.
Der Spielmann, dessen Zuversicht wuchs, je unschlüssiger er den Knecht werden sah, sagte keck: Nun, habe ich gestohlen? -- Ich weiß nicht, ver- setzte der Rothhaarige, wohin du es abgeworfen hast, aber ich will dich prügeln, daß dir die Seele aus dem Leibe geht, damit du mir die Stelle anzeigst.
Gut, rief der Spielmann, der sich nicht ein- schüchtern ließ, prügelt mich nur ab, prügelt einen
Schulter, dergeſtalt, daß der Spielmann wie eine Jacke ohne körperlichen Inhalt hin und her flog, und rief: Hallunke, was haſt du geſtohlen?
Nichts, verſetzte der Spielmann, der ungeachtet aller Angſt vor dem baumſtarken Knechte den Trotz beibehielt, der ſolchen Leuten in ſolchen Lagen eigen zu ſeyn pflegt; ſeht Ihr etwas bei mir? — Wirklich trug der Spielmann nichts mehr unter dem Arme. Der Knecht unterſuchte ſeine Klei- dungsſtücke, aber auch in denen war nichts zu entdecken. Außer der alten grauen Jacke, den zerriſſenen und geflickten Hoſen und ſeinem eigenen armſeligen Leibe führte er nichts an und bei ſich. Der Knecht ließ die Hände ſinken und ſah aus wie Einer, der nicht weiß, was er thun oder denken ſoll.
Der Spielmann, deſſen Zuverſicht wuchs, je unſchlüſſiger er den Knecht werden ſah, ſagte keck: Nun, habe ich geſtohlen? — Ich weiß nicht, ver- ſetzte der Rothhaarige, wohin du es abgeworfen haſt, aber ich will dich prügeln, daß dir die Seele aus dem Leibe geht, damit du mir die Stelle anzeigſt.
Gut, rief der Spielmann, der ſich nicht ein- ſchüchtern ließ, prügelt mich nur ab, prügelt einen
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0040"n="28"/>
Schulter, dergeſtalt, daß der Spielmann wie eine<lb/>
Jacke ohne körperlichen Inhalt hin und her flog,<lb/>
und rief: Hallunke, was haſt du geſtohlen?</p><lb/><p>Nichts, verſetzte der Spielmann, der ungeachtet<lb/>
aller Angſt vor dem baumſtarken Knechte den Trotz<lb/>
beibehielt, der ſolchen Leuten in ſolchen Lagen<lb/>
eigen zu ſeyn pflegt; ſeht Ihr etwas bei mir? —<lb/>
Wirklich trug der Spielmann nichts mehr unter<lb/>
dem Arme. Der Knecht unterſuchte ſeine Klei-<lb/>
dungsſtücke, aber auch in denen war nichts zu<lb/>
entdecken. Außer der alten grauen Jacke, den<lb/>
zerriſſenen und geflickten Hoſen und ſeinem eigenen<lb/>
armſeligen Leibe führte er nichts an und bei ſich.<lb/>
Der Knecht ließ die Hände ſinken und ſah aus<lb/>
wie Einer, der nicht weiß, was er thun oder<lb/>
denken ſoll.</p><lb/><p>Der Spielmann, deſſen Zuverſicht wuchs, je<lb/>
unſchlüſſiger er den Knecht werden ſah, ſagte keck:<lb/>
Nun, habe ich geſtohlen? — Ich weiß nicht, ver-<lb/>ſetzte der Rothhaarige, wohin du es abgeworfen<lb/>
haſt, aber ich will dich prügeln, daß dir die Seele<lb/>
aus dem Leibe geht, damit du mir die Stelle anzeigſt.</p><lb/><p>Gut, rief der Spielmann, der ſich nicht ein-<lb/>ſchüchtern ließ, prügelt mich nur ab, prügelt einen<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[28/0040]
Schulter, dergeſtalt, daß der Spielmann wie eine
Jacke ohne körperlichen Inhalt hin und her flog,
und rief: Hallunke, was haſt du geſtohlen?
Nichts, verſetzte der Spielmann, der ungeachtet
aller Angſt vor dem baumſtarken Knechte den Trotz
beibehielt, der ſolchen Leuten in ſolchen Lagen
eigen zu ſeyn pflegt; ſeht Ihr etwas bei mir? —
Wirklich trug der Spielmann nichts mehr unter
dem Arme. Der Knecht unterſuchte ſeine Klei-
dungsſtücke, aber auch in denen war nichts zu
entdecken. Außer der alten grauen Jacke, den
zerriſſenen und geflickten Hoſen und ſeinem eigenen
armſeligen Leibe führte er nichts an und bei ſich.
Der Knecht ließ die Hände ſinken und ſah aus
wie Einer, der nicht weiß, was er thun oder
denken ſoll.
Der Spielmann, deſſen Zuverſicht wuchs, je
unſchlüſſiger er den Knecht werden ſah, ſagte keck:
Nun, habe ich geſtohlen? — Ich weiß nicht, ver-
ſetzte der Rothhaarige, wohin du es abgeworfen
haſt, aber ich will dich prügeln, daß dir die Seele
aus dem Leibe geht, damit du mir die Stelle anzeigſt.
Gut, rief der Spielmann, der ſich nicht ein-
ſchüchtern ließ, prügelt mich nur ab, prügelt einen
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/40>, abgerufen am 16.10.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.