Denn heute war der Tag, an welchem die Neu- verheirathete mit uralt hergebrachter Feierlichkeit in ihr künftiges Wohnhaus eingeführt werden mußte. Zu dieser Feierlichkeit gehörte eine Fahne, viel Schießgewehr, abermals ein Schmaus, jedoch diesesmal im Gehöfte des jungen Ehemannes und wieder das Spinnrad, welches bei der Hochzeit seine Dienste geleistet hatte.
Der Hochzeitbitter befestigte an einer Stange, von welcher bunte Bänder herabflatterten, ein großes weißes Leintuch und richtete so die Fahne zu. Gegen dreißig junge Burschen hatten Flinten bei sich, diese luden sie mit grobem Schrot oder auch mit Kugeln, sich in lauter und geräuschiger Art vermessend, daß sie der Fahne tüchtig eins versetzen wollten. Die eine Brautjungfer brachte das Spinnrad getragen und endlich erschien die Braut in ihrem gestrigen Putze, gar sehr verschämt, nichts destoweniger aber immer noch mit der Braut- krone geschmückt, obgleich sie von den Anwesenden unter derben Scherzreden als Jungefrau begrüßt wurde. Nun ordnete sich der Zug und setzte sich nach dem Gehöfte des Schwiegersohnes in Bewe- gung. Der Bursche mit der Fahne marschirte an
Denn heute war der Tag, an welchem die Neu- verheirathete mit uralt hergebrachter Feierlichkeit in ihr künftiges Wohnhaus eingeführt werden mußte. Zu dieſer Feierlichkeit gehörte eine Fahne, viel Schießgewehr, abermals ein Schmaus, jedoch dieſesmal im Gehöfte des jungen Ehemannes und wieder das Spinnrad, welches bei der Hochzeit ſeine Dienſte geleiſtet hatte.
Der Hochzeitbitter befeſtigte an einer Stange, von welcher bunte Bänder herabflatterten, ein großes weißes Leintuch und richtete ſo die Fahne zu. Gegen dreißig junge Burſchen hatten Flinten bei ſich, dieſe luden ſie mit grobem Schrot oder auch mit Kugeln, ſich in lauter und geräuſchiger Art vermeſſend, daß ſie der Fahne tüchtig eins verſetzen wollten. Die eine Brautjungfer brachte das Spinnrad getragen und endlich erſchien die Braut in ihrem geſtrigen Putze, gar ſehr verſchämt, nichts deſtoweniger aber immer noch mit der Braut- krone geſchmückt, obgleich ſie von den Anweſenden unter derben Scherzreden als Jungefrau begrüßt wurde. Nun ordnete ſich der Zug und ſetzte ſich nach dem Gehöfte des Schwiegerſohnes in Bewe- gung. Der Burſche mit der Fahne marſchirte an
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Denn heute war der Tag, an welchem die Neu-
verheirathete mit uralt hergebrachter Feierlichkeit
in ihr künftiges Wohnhaus eingeführt werden
mußte. Zu dieſer Feierlichkeit gehörte eine Fahne,
viel Schießgewehr, abermals ein Schmaus, jedoch
dieſesmal im Gehöfte des jungen Ehemannes und
wieder das Spinnrad, welches bei der Hochzeit
ſeine Dienſte geleiſtet hatte.
Der Hochzeitbitter befeſtigte an einer Stange,
von welcher bunte Bänder herabflatterten, ein
großes weißes Leintuch und richtete ſo die Fahne
zu. Gegen dreißig junge Burſchen hatten Flinten
bei ſich, dieſe luden ſie mit grobem Schrot oder
auch mit Kugeln, ſich in lauter und geräuſchiger
Art vermeſſend, daß ſie der Fahne tüchtig eins
verſetzen wollten. Die eine Brautjungfer brachte
das Spinnrad getragen und endlich erſchien die
Braut in ihrem geſtrigen Putze, gar ſehr verſchämt,
nichts deſtoweniger aber immer noch mit der Braut-
krone geſchmückt, obgleich ſie von den Anweſenden
unter derben Scherzreden als Jungefrau begrüßt
wurde. Nun ordnete ſich der Zug und ſetzte ſich
nach dem Gehöfte des Schwiegerſohnes in Bewe-
gung. Der Burſche mit der Fahne marſchirte an
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 21. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/33>, abgerufen am 24.11.2024.
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