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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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hätt' es auch nimmer geglaubt, aber du hattest ge-
logen, Oswald, und die Lüge ist aller Laster
Siegel. Wer unter der Heimlichkeit einhergeht,
der hat, was er verbergen muß, und wer seinem
Mädchen etwas vorlügen kann, der will sie auch
nicht in Wahrheit zu seiner Frau nehmen. Deß-
halb glaubte ich dem alten Bauer, was er mir
von dir sagte, und wäre beinahe gestorben an dem
Glauben. Es soll dir nun Alles vergeben seyn,
Alles, von meiner Seite ganz von Herzensgrunde,
und wir wollen einander recht, recht freundlich
Adieu sagen, wenn du wieder gesund bist, und
wenn du stirbst, so will ich dir einen Busch Gold-
lack auf das Grab setzen und mich todtweinen
darauf. Ach, wie hast du mich so betrüben kön-
nen? wenn ich dich ansehe, ist es mir noch immer
unbegreiflich. Aber ich zürne dir nicht, zürne du
mir nun aber auch nicht! Wie gerne wäre ich
deine Gräfin geworden, und dann hättest du mich
ja am dritten Tage nach der Hochzeit verstoßen
können, so hätte ich doch an deinem Herzen geruht,
und hätte in Ehren dran geruhet, Oswald!

Die innerste Seele des Mädchens schwatzte in
diesem Geplauder, welches zuweilen von schweren

hätt’ es auch nimmer geglaubt, aber du hatteſt ge-
logen, Oswald, und die Lüge iſt aller Laſter
Siegel. Wer unter der Heimlichkeit einhergeht,
der hat, was er verbergen muß, und wer ſeinem
Mädchen etwas vorlügen kann, der will ſie auch
nicht in Wahrheit zu ſeiner Frau nehmen. Deß-
halb glaubte ich dem alten Bauer, was er mir
von dir ſagte, und wäre beinahe geſtorben an dem
Glauben. Es ſoll dir nun Alles vergeben ſeyn,
Alles, von meiner Seite ganz von Herzensgrunde,
und wir wollen einander recht, recht freundlich
Adieu ſagen, wenn du wieder geſund biſt, und
wenn du ſtirbſt, ſo will ich dir einen Buſch Gold-
lack auf das Grab ſetzen und mich todtweinen
darauf. Ach, wie haſt du mich ſo betrüben kön-
nen? wenn ich dich anſehe, iſt es mir noch immer
unbegreiflich. Aber ich zürne dir nicht, zürne du
mir nun aber auch nicht! Wie gerne wäre ich
deine Gräfin geworden, und dann hätteſt du mich
ja am dritten Tage nach der Hochzeit verſtoßen
können, ſo hätte ich doch an deinem Herzen geruht,
und hätte in Ehren dran geruhet, Oswald!

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[168/0180] hätt’ es auch nimmer geglaubt, aber du hatteſt ge- logen, Oswald, und die Lüge iſt aller Laſter Siegel. Wer unter der Heimlichkeit einhergeht, der hat, was er verbergen muß, und wer ſeinem Mädchen etwas vorlügen kann, der will ſie auch nicht in Wahrheit zu ſeiner Frau nehmen. Deß- halb glaubte ich dem alten Bauer, was er mir von dir ſagte, und wäre beinahe geſtorben an dem Glauben. Es ſoll dir nun Alles vergeben ſeyn, Alles, von meiner Seite ganz von Herzensgrunde, und wir wollen einander recht, recht freundlich Adieu ſagen, wenn du wieder geſund biſt, und wenn du ſtirbſt, ſo will ich dir einen Buſch Gold- lack auf das Grab ſetzen und mich todtweinen darauf. Ach, wie haſt du mich ſo betrüben kön- nen? wenn ich dich anſehe, iſt es mir noch immer unbegreiflich. Aber ich zürne dir nicht, zürne du mir nun aber auch nicht! Wie gerne wäre ich deine Gräfin geworden, und dann hätteſt du mich ja am dritten Tage nach der Hochzeit verſtoßen können, ſo hätte ich doch an deinem Herzen geruht, und hätte in Ehren dran geruhet, Oswald! Die innerſte Seele des Mädchens ſchwatzte in dieſem Geplauder, welches zuweilen von ſchweren

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 168. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/180>, abgerufen am 02.05.2024.