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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Seufzern und heftigem Schluchzen und Erkundi-
gungen nach seinem Befinden unterbrochen wurde.

Aber wie stand es um Oswald? Glücklich.
Er horchte auf, er ahnete, er schloß den Zusam-
menhang; durch alle Schmerzen seiner wunden
Brust ging ein himmlisches Erkennen. Er wußte
nun, daß er nur verläumdet worden war, daß
die keuscheste und ehrenzarteste Liebe nicht einen
Augenblick aufgehört hatte, ihm anzugehören. Um
seine Wangen begann ein seliges Lächeln zu spielen,
die Augen öffneten sich und helle Zähren der Wonne
blinkten darin. Lisbeth's liebliches Antlitz schwamm
vor diesen schwimmenden Blicken, sie kam ihm
leuchtend, wie eine Heilige kam sie ihm vor. Er
konnte nicht sprechen, aber ein Zeichen mußte er
ihr geben. Er hob seinen rechten Arm auf, zeigte
Lisbeth mit einer freundlich-schmerzlichen Miene
den Ring, den er noch an einem Finger der rech-
ten Hand trug von der Dorfkirche her, legte sie
auf sein Herz, führte dann den Ring zum Munde,
und streckte die Hand gen Himmel, dann ließ er
sie wieder auf seine Brust sinken und zog dann
ihre Hand herbei, sie in die seinige zu legen, und
sie mit ihr vereinigt auf seiner Brust ruhen zu

Seufzern und heftigem Schluchzen und Erkundi-
gungen nach ſeinem Befinden unterbrochen wurde.

Aber wie ſtand es um Oswald? Glücklich.
Er horchte auf, er ahnete, er ſchloß den Zuſam-
menhang; durch alle Schmerzen ſeiner wunden
Bruſt ging ein himmliſches Erkennen. Er wußte
nun, daß er nur verläumdet worden war, daß
die keuſcheſte und ehrenzarteſte Liebe nicht einen
Augenblick aufgehört hatte, ihm anzugehören. Um
ſeine Wangen begann ein ſeliges Lächeln zu ſpielen,
die Augen öffneten ſich und helle Zähren der Wonne
blinkten darin. Lisbeth’s liebliches Antlitz ſchwamm
vor dieſen ſchwimmenden Blicken, ſie kam ihm
leuchtend, wie eine Heilige kam ſie ihm vor. Er
konnte nicht ſprechen, aber ein Zeichen mußte er
ihr geben. Er hob ſeinen rechten Arm auf, zeigte
Lisbeth mit einer freundlich-ſchmerzlichen Miene
den Ring, den er noch an einem Finger der rech-
ten Hand trug von der Dorfkirche her, legte ſie
auf ſein Herz, führte dann den Ring zum Munde,
und ſtreckte die Hand gen Himmel, dann ließ er
ſie wieder auf ſeine Bruſt ſinken und zog dann
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[169/0181] Seufzern und heftigem Schluchzen und Erkundi- gungen nach ſeinem Befinden unterbrochen wurde. Aber wie ſtand es um Oswald? Glücklich. Er horchte auf, er ahnete, er ſchloß den Zuſam- menhang; durch alle Schmerzen ſeiner wunden Bruſt ging ein himmliſches Erkennen. Er wußte nun, daß er nur verläumdet worden war, daß die keuſcheſte und ehrenzarteſte Liebe nicht einen Augenblick aufgehört hatte, ihm anzugehören. Um ſeine Wangen begann ein ſeliges Lächeln zu ſpielen, die Augen öffneten ſich und helle Zähren der Wonne blinkten darin. Lisbeth’s liebliches Antlitz ſchwamm vor dieſen ſchwimmenden Blicken, ſie kam ihm leuchtend, wie eine Heilige kam ſie ihm vor. Er konnte nicht ſprechen, aber ein Zeichen mußte er ihr geben. Er hob ſeinen rechten Arm auf, zeigte Lisbeth mit einer freundlich-ſchmerzlichen Miene den Ring, den er noch an einem Finger der rech- ten Hand trug von der Dorfkirche her, legte ſie auf ſein Herz, führte dann den Ring zum Munde, und ſtreckte die Hand gen Himmel, dann ließ er ſie wieder auf ſeine Bruſt ſinken und zog dann ihre Hand herbei, ſie in die ſeinige zu legen, und ſie mit ihr vereinigt auf ſeiner Bruſt ruhen zu

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 169. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/181>, abgerufen am 02.05.2024.