Schlechtigkeit eingegangen, Oswald, da hätte ich mich auch an dir versündigt und hätte dich mit zum Bösewicht werden lassen, und das darf die Geliebte nicht; nicht einen Flecken darf sie auf ihren Freund kommen lassen. Denn das ist eine schlechte Liebe, die nur den Anderen herzen und küssen will, wie es auch sei, nein, daß das Leben des Liebsten rein bleibe und unbefleckt und unver- worren, das ist die wahre Liebe, und die habe und hege ich im Herzen zu dir, mein Oswald, wie sie nur ein Mädchen haben und hegen kann, ja gewiß, so ist es. Und habe sie gehabt und gehegt immerdar, wie ich nun wohl fühle, obgleich ich mich vor dir versteckte. Stürbest du hier auf der Stelle, Oswald, und ich könnte dich retten durch Unrecht, doch thäte ich es nicht, das sage ich dir frei heraus. Denn meine Schande könnte ich noch allenfalls überstehen, Oswald, aber nicht deine; nein, wahrhaftig nicht. Deine Ehre sitzt mir tiefer im Herzen, als meine. Und so mußt du mir auch von Herzen vergeben, Oswald, daß ich nicht dein Liebchen, wie du wolltest, werden mochte, und ich weiß auch gar nicht, wie der böse Gedanke in dein gutes Herz gekommen ist. Ich
Schlechtigkeit eingegangen, Oswald, da hätte ich mich auch an dir verſündigt und hätte dich mit zum Böſewicht werden laſſen, und das darf die Geliebte nicht; nicht einen Flecken darf ſie auf ihren Freund kommen laſſen. Denn das iſt eine ſchlechte Liebe, die nur den Anderen herzen und küſſen will, wie es auch ſei, nein, daß das Leben des Liebſten rein bleibe und unbefleckt und unver- worren, das iſt die wahre Liebe, und die habe und hege ich im Herzen zu dir, mein Oswald, wie ſie nur ein Mädchen haben und hegen kann, ja gewiß, ſo iſt es. Und habe ſie gehabt und gehegt immerdar, wie ich nun wohl fühle, obgleich ich mich vor dir verſteckte. Stürbeſt du hier auf der Stelle, Oswald, und ich könnte dich retten durch Unrecht, doch thäte ich es nicht, das ſage ich dir frei heraus. Denn meine Schande könnte ich noch allenfalls überſtehen, Oswald, aber nicht deine; nein, wahrhaftig nicht. Deine Ehre ſitzt mir tiefer im Herzen, als meine. Und ſo mußt du mir auch von Herzen vergeben, Oswald, daß ich nicht dein Liebchen, wie du wollteſt, werden mochte, und ich weiß auch gar nicht, wie der böſe Gedanke in dein gutes Herz gekommen iſt. Ich
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0179"n="167"/>
Schlechtigkeit eingegangen, Oswald, da hätte ich<lb/>
mich auch an dir verſündigt und hätte dich mit<lb/>
zum Böſewicht werden laſſen, und das darf die<lb/>
Geliebte nicht; nicht einen Flecken darf ſie auf<lb/>
ihren Freund kommen laſſen. Denn das iſt eine<lb/>ſchlechte Liebe, die nur den Anderen herzen und<lb/>
küſſen will, wie es auch ſei, nein, daß das Leben<lb/>
des Liebſten rein bleibe und unbefleckt und unver-<lb/>
worren, das iſt die wahre Liebe, und die habe<lb/>
und hege ich im Herzen zu dir, mein Oswald,<lb/>
wie ſie nur ein Mädchen haben und hegen kann,<lb/>
ja gewiß, ſo iſt es. Und habe ſie gehabt und<lb/>
gehegt immerdar, wie ich nun wohl fühle, obgleich<lb/>
ich mich vor dir verſteckte. Stürbeſt du hier auf<lb/>
der Stelle, Oswald, und ich könnte dich retten<lb/>
durch Unrecht, doch thäte ich es nicht, das ſage<lb/>
ich dir frei heraus. Denn meine Schande könnte<lb/>
ich noch allenfalls überſtehen, Oswald, aber nicht<lb/>
deine; nein, wahrhaftig nicht. Deine Ehre ſitzt<lb/>
mir tiefer im Herzen, als meine. Und ſo mußt<lb/>
du mir auch von Herzen vergeben, Oswald, daß<lb/>
ich nicht dein Liebchen, wie du wollteſt, werden<lb/>
mochte, und ich weiß auch gar nicht, wie der böſe<lb/>
Gedanke in dein gutes Herz gekommen iſt. Ich<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[167/0179]
Schlechtigkeit eingegangen, Oswald, da hätte ich
mich auch an dir verſündigt und hätte dich mit
zum Böſewicht werden laſſen, und das darf die
Geliebte nicht; nicht einen Flecken darf ſie auf
ihren Freund kommen laſſen. Denn das iſt eine
ſchlechte Liebe, die nur den Anderen herzen und
küſſen will, wie es auch ſei, nein, daß das Leben
des Liebſten rein bleibe und unbefleckt und unver-
worren, das iſt die wahre Liebe, und die habe
und hege ich im Herzen zu dir, mein Oswald,
wie ſie nur ein Mädchen haben und hegen kann,
ja gewiß, ſo iſt es. Und habe ſie gehabt und
gehegt immerdar, wie ich nun wohl fühle, obgleich
ich mich vor dir verſteckte. Stürbeſt du hier auf
der Stelle, Oswald, und ich könnte dich retten
durch Unrecht, doch thäte ich es nicht, das ſage
ich dir frei heraus. Denn meine Schande könnte
ich noch allenfalls überſtehen, Oswald, aber nicht
deine; nein, wahrhaftig nicht. Deine Ehre ſitzt
mir tiefer im Herzen, als meine. Und ſo mußt
du mir auch von Herzen vergeben, Oswald, daß
ich nicht dein Liebchen, wie du wollteſt, werden
mochte, und ich weiß auch gar nicht, wie der böſe
Gedanke in dein gutes Herz gekommen iſt. Ich
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/179>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.