den wage ich mir zu sagen, daß Ihnen der Schüler gerade keine Schande mache.
Aber eine elegische Empfindung kann ich nicht bewältigen, wenn ich an Sie denke. Sie stehen gefeiert, würdig, nachwirkend da, das ist wahr. Um eine Entfaltung jedoch hat das Mißgeschick der Umstände Sie und uns gebracht. Sie hätten der Vater des deutschen Lustspiels werden können, wenn die Bühne Ihrer fri- schesten Zeit entgegengekommen wäre, und dieses Lustspiel würde das größte der modernen Zeiten geworden seyn. Denn nicht auf das Einzelge- schick eines Liebespaares, oder auf die Schilde- rung einer närrischen Sitte, oder eines in der Verborgenheit sein Wesen treibenden Thoren kam es Ihnen an, sondern Ihre komische Muse lächelte über die ganze Breite der Welt und der Zeit, sie schmückte mit bunten Blumen, die sich dann wieder zauberisch in Schellen verwandelten, die öffentlichen Charaktere, sie führte mit reizender Schalkheit, die wie Ehrfurcht aussah, komische Könige und Helden im Triumphe auf. Wenn ich an die Kraft und Gewalt Ihrer Figuren mich erinnere, an den tiefsinnigen, freien, gro-
den wage ich mir zu ſagen, daß Ihnen der Schuͤler gerade keine Schande mache.
Aber eine elegiſche Empfindung kann ich nicht bewaͤltigen, wenn ich an Sie denke. Sie ſtehen gefeiert, wuͤrdig, nachwirkend da, das iſt wahr. Um eine Entfaltung jedoch hat das Mißgeſchick der Umſtaͤnde Sie und uns gebracht. Sie haͤtten der Vater des deutſchen Luſtſpiels werden koͤnnen, wenn die Buͤhne Ihrer fri- ſcheſten Zeit entgegengekommen waͤre, und dieſes Luſtſpiel wuͤrde das groͤßte der modernen Zeiten geworden ſeyn. Denn nicht auf das Einzelge- ſchick eines Liebespaares, oder auf die Schilde- rung einer naͤrriſchen Sitte, oder eines in der Verborgenheit ſein Weſen treibenden Thoren kam es Ihnen an, ſondern Ihre komiſche Muſe laͤchelte uͤber die ganze Breite der Welt und der Zeit, ſie ſchmuͤckte mit bunten Blumen, die ſich dann wieder zauberiſch in Schellen verwandelten, die oͤffentlichen Charaktere, ſie fuͤhrte mit reizender Schalkheit, die wie Ehrfurcht ausſah, komiſche Koͤnige und Helden im Triumphe auf. Wenn ich an die Kraft und Gewalt Ihrer Figuren mich erinnere, an den tiefſinnigen, freien, gro-
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0018"n="VI"/>
den wage ich mir zu ſagen, daß Ihnen der<lb/>
Schuͤler gerade keine Schande mache.</p><lb/><p>Aber eine elegiſche Empfindung kann ich<lb/>
nicht bewaͤltigen, wenn ich an Sie denke. Sie<lb/>ſtehen gefeiert, wuͤrdig, nachwirkend da, das<lb/>
iſt wahr. Um <hirendition="#g">eine</hi> Entfaltung jedoch hat das<lb/>
Mißgeſchick der Umſtaͤnde Sie und uns gebracht.<lb/>
Sie haͤtten der Vater des deutſchen Luſtſpiels<lb/>
werden koͤnnen, wenn die Buͤhne Ihrer fri-<lb/>ſcheſten Zeit entgegengekommen waͤre, und dieſes<lb/>
Luſtſpiel wuͤrde das groͤßte der modernen Zeiten<lb/>
geworden ſeyn. Denn nicht auf das Einzelge-<lb/>ſchick eines Liebespaares, oder auf die Schilde-<lb/>
rung einer naͤrriſchen Sitte, oder eines in der<lb/>
Verborgenheit ſein Weſen treibenden Thoren kam<lb/>
es Ihnen an, ſondern Ihre komiſche Muſe laͤchelte<lb/>
uͤber die ganze Breite der Welt und der Zeit,<lb/>ſie ſchmuͤckte mit bunten Blumen, die ſich dann<lb/>
wieder zauberiſch in Schellen verwandelten, die<lb/>
oͤffentlichen Charaktere, ſie fuͤhrte mit reizender<lb/>
Schalkheit, die wie Ehrfurcht ausſah, komiſche<lb/>
Koͤnige und Helden im Triumphe auf. Wenn<lb/>
ich an die Kraft und Gewalt Ihrer Figuren<lb/>
mich erinnere, an den tiefſinnigen, freien, gro-<lb/></p></div></body></text></TEI>
[VI/0018]
den wage ich mir zu ſagen, daß Ihnen der
Schuͤler gerade keine Schande mache.
Aber eine elegiſche Empfindung kann ich
nicht bewaͤltigen, wenn ich an Sie denke. Sie
ſtehen gefeiert, wuͤrdig, nachwirkend da, das
iſt wahr. Um eine Entfaltung jedoch hat das
Mißgeſchick der Umſtaͤnde Sie und uns gebracht.
Sie haͤtten der Vater des deutſchen Luſtſpiels
werden koͤnnen, wenn die Buͤhne Ihrer fri-
ſcheſten Zeit entgegengekommen waͤre, und dieſes
Luſtſpiel wuͤrde das groͤßte der modernen Zeiten
geworden ſeyn. Denn nicht auf das Einzelge-
ſchick eines Liebespaares, oder auf die Schilde-
rung einer naͤrriſchen Sitte, oder eines in der
Verborgenheit ſein Weſen treibenden Thoren kam
es Ihnen an, ſondern Ihre komiſche Muſe laͤchelte
uͤber die ganze Breite der Welt und der Zeit,
ſie ſchmuͤckte mit bunten Blumen, die ſich dann
wieder zauberiſch in Schellen verwandelten, die
oͤffentlichen Charaktere, ſie fuͤhrte mit reizender
Schalkheit, die wie Ehrfurcht ausſah, komiſche
Koͤnige und Helden im Triumphe auf. Wenn
ich an die Kraft und Gewalt Ihrer Figuren
mich erinnere, an den tiefſinnigen, freien, gro-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. VI. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/18>, abgerufen am 12.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.