leidigung der ganzen Gesellschaft den Fehdehand- schuh hinwirft -- anfangs ist Alles lautlos und gleichsam versteinert, mit einemmale aber springt Jeder auf und läßt das verletzte Gefühl in Blick, Gebärde, Drohung, Zornes- und Racheworten ausschäumen, so wirkte hier die unerwartete Er- scheinung des fremden Zeugen anfangs nur ein athemloses Staunen und die Bauern sahen ihm, ohne ein Wort zu sagen, nach, bis er im Forste verschwunden war. Dann aber sprangen sie wüthend auf, ballten die Fäuste und ergossen sich in einem Strome von wilden Reden, Drohungen, Verwün- schungen. Einige riefen: Soll das geschehen dürfen wider uns? Andere antworteten: Nimmermehr; Todt sollte man ihn schlagen! Todt! riefen Alle und bekräftigten dieses finstere Wort durch ein lautes Murren, welches schauerlich von der nebel- umgebenen Höhe klang. -- An eine Fortsetzung des Freigerichts wurde nicht gedacht.
Der Hofschulze war während des Getöses stumm geblieben, sein Antlitz sah aber kreideweiß aus. Als jetzt nach jenem Murren eine augenblickliche Stille ein- trat, erhob er sich und sagte: Nachbarn, wollt Ihr mir überlassen, die Sache in aller Manier zu schlichten?
leidigung der ganzen Geſellſchaft den Fehdehand- ſchuh hinwirft — anfangs iſt Alles lautlos und gleichſam verſteinert, mit einemmale aber ſpringt Jeder auf und läßt das verletzte Gefühl in Blick, Gebärde, Drohung, Zornes- und Racheworten ausſchäumen, ſo wirkte hier die unerwartete Er- ſcheinung des fremden Zeugen anfangs nur ein athemloſes Staunen und die Bauern ſahen ihm, ohne ein Wort zu ſagen, nach, bis er im Forſte verſchwunden war. Dann aber ſprangen ſie wüthend auf, ballten die Fäuſte und ergoſſen ſich in einem Strome von wilden Reden, Drohungen, Verwün- ſchungen. Einige riefen: Soll das geſchehen dürfen wider uns? Andere antworteten: Nimmermehr; Todt ſollte man ihn ſchlagen! Todt! riefen Alle und bekräftigten dieſes finſtere Wort durch ein lautes Murren, welches ſchauerlich von der nebel- umgebenen Höhe klang. — An eine Fortſetzung des Freigerichts wurde nicht gedacht.
Der Hofſchulze war während des Getöſes ſtumm geblieben, ſein Antlitz ſah aber kreideweiß aus. Als jetzt nach jenem Murren eine augenblickliche Stille ein- trat, erhob er ſich und ſagte: Nachbarn, wollt Ihr mir überlaſſen, die Sache in aller Manier zu ſchlichten?
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leidigung der ganzen Geſellſchaft den Fehdehand-
ſchuh hinwirft — anfangs iſt Alles lautlos und
gleichſam verſteinert, mit einemmale aber ſpringt
Jeder auf und läßt das verletzte Gefühl in Blick,
Gebärde, Drohung, Zornes- und Racheworten
ausſchäumen, ſo wirkte hier die unerwartete Er-
ſcheinung des fremden Zeugen anfangs nur ein
athemloſes Staunen und die Bauern ſahen ihm,
ohne ein Wort zu ſagen, nach, bis er im Forſte
verſchwunden war. Dann aber ſprangen ſie wüthend
auf, ballten die Fäuſte und ergoſſen ſich in einem
Strome von wilden Reden, Drohungen, Verwün-
ſchungen. Einige riefen: Soll das geſchehen dürfen
wider uns? Andere antworteten: Nimmermehr;
Todt ſollte man ihn ſchlagen! Todt! riefen Alle
und bekräftigten dieſes finſtere Wort durch ein
lautes Murren, welches ſchauerlich von der nebel-
umgebenen Höhe klang. — An eine Fortſetzung des
Freigerichts wurde nicht gedacht.
Der Hofſchulze war während des Getöſes ſtumm
geblieben, ſein Antlitz ſah aber kreideweiß aus. Als
jetzt nach jenem Murren eine augenblickliche Stille ein-
trat, erhob er ſich und ſagte: Nachbarn, wollt Ihr mir
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 123. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/135>, abgerufen am 24.11.2024.
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