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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839.

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Sie schwieg. Die Gluth der süßesten Schaam
flammte ihr auf Wangen, Hals und Nacken. Ihr
Blick ruhte durchdringend auf Clelien. Diese fühlte
ihre Mittel erschöpft. Sie winkte, daß Lisbeth
sich entfernen möge. Lisbeth ging nach der Thüre.

Sobald aber Clelia die unwiderstehlichen Augen
des Mädchens nicht mehr sah, kam ihr noch einmal
der den Weltkindern eigenthümliche Uebermuth zu-
rück. Sie rief der Abgehenden leichthin nach: Ihr
seid Beide thörichte und unsinnige Kinder! Für jetzt
weiß ich nichts mit dir anzufangen, aber ich wette, in
wenigen Tagen sprichst du ganz anders und giebst
mir Recht, denn das verfliegt, wie es angeflogen ist.

Die Jungfrau wandte sich um und näherte
sich mit dem Ansehen einer Priesterin der Welt-
dame. Erhaben leuchteten ihre Augen, mit
voller, tönender und gehaltener Stimme sprach sie:
Wie täuschen Sie sich! Lassen Sie ab von der
Täuschung, welche Sie um eine heilige Erscheinung
bringt! Ich bitte Sie, lassen Sie ab von dem
Wahne, hier mit einer Grille, mit einer Laune des
Augenblicks zu thun zu haben. Sie würden in
diesem Wahne uns noch bittere Schmerzen und sich
fruchtlose Mühe machen.


Sie ſchwieg. Die Gluth der ſüßeſten Schaam
flammte ihr auf Wangen, Hals und Nacken. Ihr
Blick ruhte durchdringend auf Clelien. Dieſe fühlte
ihre Mittel erſchöpft. Sie winkte, daß Lisbeth
ſich entfernen möge. Lisbeth ging nach der Thüre.

Sobald aber Clelia die unwiderſtehlichen Augen
des Mädchens nicht mehr ſah, kam ihr noch einmal
der den Weltkindern eigenthümliche Uebermuth zu-
rück. Sie rief der Abgehenden leichthin nach: Ihr
ſeid Beide thörichte und unſinnige Kinder! Für jetzt
weiß ich nichts mit dir anzufangen, aber ich wette, in
wenigen Tagen ſprichſt du ganz anders und giebſt
mir Recht, denn das verfliegt, wie es angeflogen iſt.

Die Jungfrau wandte ſich um und näherte
ſich mit dem Anſehen einer Prieſterin der Welt-
dame. Erhaben leuchteten ihre Augen, mit
voller, tönender und gehaltener Stimme ſprach ſie:
Wie täuſchen Sie ſich! Laſſen Sie ab von der
Täuſchung, welche Sie um eine heilige Erſcheinung
bringt! Ich bitte Sie, laſſen Sie ab von dem
Wahne, hier mit einer Grille, mit einer Laune des
Augenblicks zu thun zu haben. Sie würden in
dieſem Wahne uns noch bittere Schmerzen und ſich
fruchtloſe Mühe machen.


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[277/0289] Sie ſchwieg. Die Gluth der ſüßeſten Schaam flammte ihr auf Wangen, Hals und Nacken. Ihr Blick ruhte durchdringend auf Clelien. Dieſe fühlte ihre Mittel erſchöpft. Sie winkte, daß Lisbeth ſich entfernen möge. Lisbeth ging nach der Thüre. Sobald aber Clelia die unwiderſtehlichen Augen des Mädchens nicht mehr ſah, kam ihr noch einmal der den Weltkindern eigenthümliche Uebermuth zu- rück. Sie rief der Abgehenden leichthin nach: Ihr ſeid Beide thörichte und unſinnige Kinder! Für jetzt weiß ich nichts mit dir anzufangen, aber ich wette, in wenigen Tagen ſprichſt du ganz anders und giebſt mir Recht, denn das verfliegt, wie es angeflogen iſt. Die Jungfrau wandte ſich um und näherte ſich mit dem Anſehen einer Prieſterin der Welt- dame. Erhaben leuchteten ihre Augen, mit voller, tönender und gehaltener Stimme ſprach ſie: Wie täuſchen Sie ſich! Laſſen Sie ab von der Täuſchung, welche Sie um eine heilige Erſcheinung bringt! Ich bitte Sie, laſſen Sie ab von dem Wahne, hier mit einer Grille, mit einer Laune des Augenblicks zu thun zu haben. Sie würden in dieſem Wahne uns noch bittere Schmerzen und ſich fruchtloſe Mühe machen.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 4. Düsseldorf, 1839, S. 277. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen04_1839/289>, abgerufen am 27.11.2024.