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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

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denn von Ideen und Genie mag er überhaupt
nichts wissen.

In dieser Verlegenheit konnte ich dem Ober-
kammerherrn helfen. Daß Münchhausen der Mann
für den Erbprinzen sei, darüber waren wir bald
einig, es wäre aber hiemit noch nichts gewonnen
gewesen, wenn dieser seltene Charakter, der nichts
unter seiner Würde hält, nicht zufällig einer neuen
Hühneraugenessenz auf der Spur gewesen wäre
und sie wirklich endlich entdeckt hätte, ein proba-
tes Mittel, welches das Uebel zwar nicht zu heben
vermag, da es überhaupt unheilbar ist, aber es
doch bedeutend lindert, so daß der alte Herr, der
schon mehrere Flaschen derselben verbraucht hat,
sich seitdem nur in dem Zustande einer fortwäh-
renden Semi-Verdrießlichkeit befindet. Durch die-
sen glücklichen Zufall war der Ausweg gebahnt.
Münchhausen geht nämlich an den Hof von Dün-
kelblasenheim und der alte Herr weiß nicht anders,
als daß er bloß seiner Hühneraugen wegen komme.
Nur unter der Hand wird er das Gesellschafts-
Genie des jungen Herrn, der an ihm, wie an
einer verbotenen Frucht naschen will. Man fühlt
aber wohl, daß eben wegen dieser Heimlichkeit

denn von Ideen und Genie mag er überhaupt
nichts wiſſen.

In dieſer Verlegenheit konnte ich dem Ober-
kammerherrn helfen. Daß Münchhauſen der Mann
für den Erbprinzen ſei, darüber waren wir bald
einig, es wäre aber hiemit noch nichts gewonnen
geweſen, wenn dieſer ſeltene Charakter, der nichts
unter ſeiner Würde hält, nicht zufällig einer neuen
Hühneraugeneſſenz auf der Spur geweſen wäre
und ſie wirklich endlich entdeckt hätte, ein proba-
tes Mittel, welches das Uebel zwar nicht zu heben
vermag, da es überhaupt unheilbar iſt, aber es
doch bedeutend lindert, ſo daß der alte Herr, der
ſchon mehrere Flaſchen derſelben verbraucht hat,
ſich ſeitdem nur in dem Zuſtande einer fortwäh-
renden Semi-Verdrießlichkeit befindet. Durch die-
ſen glücklichen Zufall war der Ausweg gebahnt.
Münchhauſen geht nämlich an den Hof von Dün-
kelblaſenheim und der alte Herr weiß nicht anders,
als daß er bloß ſeiner Hühneraugen wegen komme.
Nur unter der Hand wird er das Geſellſchafts-
Genie des jungen Herrn, der an ihm, wie an
einer verbotenen Frucht naſchen will. Man fühlt
aber wohl, daß eben wegen dieſer Heimlichkeit

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[347/0361] denn von Ideen und Genie mag er überhaupt nichts wiſſen. In dieſer Verlegenheit konnte ich dem Ober- kammerherrn helfen. Daß Münchhauſen der Mann für den Erbprinzen ſei, darüber waren wir bald einig, es wäre aber hiemit noch nichts gewonnen geweſen, wenn dieſer ſeltene Charakter, der nichts unter ſeiner Würde hält, nicht zufällig einer neuen Hühneraugeneſſenz auf der Spur geweſen wäre und ſie wirklich endlich entdeckt hätte, ein proba- tes Mittel, welches das Uebel zwar nicht zu heben vermag, da es überhaupt unheilbar iſt, aber es doch bedeutend lindert, ſo daß der alte Herr, der ſchon mehrere Flaſchen derſelben verbraucht hat, ſich ſeitdem nur in dem Zuſtande einer fortwäh- renden Semi-Verdrießlichkeit befindet. Durch die- ſen glücklichen Zufall war der Ausweg gebahnt. Münchhauſen geht nämlich an den Hof von Dün- kelblaſenheim und der alte Herr weiß nicht anders, als daß er bloß ſeiner Hühneraugen wegen komme. Nur unter der Hand wird er das Geſellſchafts- Genie des jungen Herrn, der an ihm, wie an einer verbotenen Frucht naſchen will. Man fühlt aber wohl, daß eben wegen dieſer Heimlichkeit

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/361>, abgerufen am 22.11.2024.