Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite
nächste Seite >>

regieren. Seine gewöhnliche Gesellschaft war ihm
etwas abschmeckend geworden und es mochte dieß
ungefähr zu derselben Zeit sich ereignet haben, als
der Obersanitätsrath den Vater am häufigsten in
das Fleisch geschnitten hatte. Er begann daher
sich nach einem anregenden Umgange zu sehnen,
nach einem Universalkopfe, der ihn beständig be-
schäftige, gerade als der Vater nach einer sanf-
teren Behandlung seiner Hühneraugen verlangte.

Semilasso lächelte nun so fein, daß keine
Feder die Feinheit dieses Lächelns mehr be-
schreiben kann. Der Erzähler kam dadurch beinahe
aus der Fassung, die jedem Erzähler Noth thut,
fuhr indessen doch fort:

Der Oberkammerherr hatte die Wünsche des
regierenden und zukünftigen Herrn, welche ihm
Befehle seyn mußten, zu vernehmen. Der Ober-
kammerherr hat eine sehr zarte Stellung zwischen
Gegenwart und Zukunft. Der Oberkammerherr hatte
mit den größten Schwierigkeiten nach allen Seiten
hin zu kämpfen. Die offenbarste war, dem Erben
zu genügen. Niemals, wie Sie sehr richtig ahneten,
würde der regierende Herr zugelassen haben, daß
der Erbe sich ein Genie zum Ideenaustausche halte,

regieren. Seine gewöhnliche Geſellſchaft war ihm
etwas abſchmeckend geworden und es mochte dieß
ungefähr zu derſelben Zeit ſich ereignet haben, als
der Oberſanitätsrath den Vater am häufigſten in
das Fleiſch geſchnitten hatte. Er begann daher
ſich nach einem anregenden Umgange zu ſehnen,
nach einem Univerſalkopfe, der ihn beſtändig be-
ſchäftige, gerade als der Vater nach einer ſanf-
teren Behandlung ſeiner Hühneraugen verlangte.

Semilaſſo lächelte nun ſo fein, daß keine
Feder die Feinheit dieſes Lächelns mehr be-
ſchreiben kann. Der Erzähler kam dadurch beinahe
aus der Faſſung, die jedem Erzähler Noth thut,
fuhr indeſſen doch fort:

Der Oberkammerherr hatte die Wünſche des
regierenden und zukünftigen Herrn, welche ihm
Befehle ſeyn mußten, zu vernehmen. Der Ober-
kammerherr hat eine ſehr zarte Stellung zwiſchen
Gegenwart und Zukunft. Der Oberkammerherr hatte
mit den größten Schwierigkeiten nach allen Seiten
hin zu kämpfen. Die offenbarſte war, dem Erben
zu genügen. Niemals, wie Sie ſehr richtig ahneten,
würde der regierende Herr zugelaſſen haben, daß
der Erbe ſich ein Genie zum Ideenaustauſche halte,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0360" n="346"/>
regieren. Seine gewöhnliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft war ihm<lb/>
etwas ab&#x017F;chmeckend geworden und es mochte dieß<lb/>
ungefähr zu der&#x017F;elben Zeit &#x017F;ich ereignet haben, als<lb/>
der Ober&#x017F;anitätsrath den Vater am häufig&#x017F;ten in<lb/>
das Flei&#x017F;ch ge&#x017F;chnitten hatte. Er begann daher<lb/>
&#x017F;ich nach einem anregenden Umgange zu &#x017F;ehnen,<lb/>
nach einem Univer&#x017F;alkopfe, der ihn be&#x017F;tändig be-<lb/>
&#x017F;chäftige, gerade als der Vater nach einer &#x017F;anf-<lb/>
teren Behandlung &#x017F;einer Hühneraugen verlangte.</p><lb/>
          <p>Semila&#x017F;&#x017F;o lächelte nun &#x017F;o fein, daß keine<lb/>
Feder die Feinheit die&#x017F;es Lächelns mehr be-<lb/>
&#x017F;chreiben kann. Der Erzähler kam dadurch beinahe<lb/>
aus der Fa&#x017F;&#x017F;ung, die jedem Erzähler Noth thut,<lb/>
fuhr inde&#x017F;&#x017F;en doch fort:</p><lb/>
          <p>Der Oberkammerherr hatte die Wün&#x017F;che des<lb/>
regierenden und zukünftigen Herrn, welche ihm<lb/>
Befehle &#x017F;eyn mußten, zu vernehmen. Der Ober-<lb/>
kammerherr hat eine &#x017F;ehr zarte Stellung zwi&#x017F;chen<lb/>
Gegenwart und Zukunft. Der Oberkammerherr hatte<lb/>
mit den größten Schwierigkeiten nach allen Seiten<lb/>
hin zu kämpfen. Die offenbar&#x017F;te war, dem Erben<lb/>
zu genügen. Niemals, wie Sie &#x017F;ehr richtig ahneten,<lb/>
würde der regierende Herr zugela&#x017F;&#x017F;en haben, daß<lb/>
der Erbe &#x017F;ich ein Genie zum Ideenaustau&#x017F;che halte,<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[346/0360] regieren. Seine gewöhnliche Geſellſchaft war ihm etwas abſchmeckend geworden und es mochte dieß ungefähr zu derſelben Zeit ſich ereignet haben, als der Oberſanitätsrath den Vater am häufigſten in das Fleiſch geſchnitten hatte. Er begann daher ſich nach einem anregenden Umgange zu ſehnen, nach einem Univerſalkopfe, der ihn beſtändig be- ſchäftige, gerade als der Vater nach einer ſanf- teren Behandlung ſeiner Hühneraugen verlangte. Semilaſſo lächelte nun ſo fein, daß keine Feder die Feinheit dieſes Lächelns mehr be- ſchreiben kann. Der Erzähler kam dadurch beinahe aus der Faſſung, die jedem Erzähler Noth thut, fuhr indeſſen doch fort: Der Oberkammerherr hatte die Wünſche des regierenden und zukünftigen Herrn, welche ihm Befehle ſeyn mußten, zu vernehmen. Der Ober- kammerherr hat eine ſehr zarte Stellung zwiſchen Gegenwart und Zukunft. Der Oberkammerherr hatte mit den größten Schwierigkeiten nach allen Seiten hin zu kämpfen. Die offenbarſte war, dem Erben zu genügen. Niemals, wie Sie ſehr richtig ahneten, würde der regierende Herr zugelaſſen haben, daß der Erbe ſich ein Genie zum Ideenaustauſche halte,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/360
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/360>, abgerufen am 20.05.2024.