Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

voll Gras nicht minder schmecken, als meinem
Gelben. Der Tag wird heiß werden, und den
Thieren ist einige Rast vonnöthen.

Der fahrende Schüler war mit dem Vorschlage
zufrieden. Beide stiegen ab und setzten sich an der
Straße auf dem wilden Thymian und Lavendel
nieder, von welchem, wie sie sich setzten, eine ganze
Wolke Wohlgeruchs emporstieg, und hundert Bien-
chen, die in ihrer Arbeit gestört wurden, sich sum-
mend erhoben. Ein Knapp, der mit einem schwer-
beladenen Gaule dem jungen Ritter gefolgt war,
nahm die beiden Thiere in Empfang, reichte seinem
Herrn aus dem Schnappsack Flasche und Becher
nebst Brod und Fleisch, kandarte die Thiere ab
und ließ sie seitwärts vom Heerwege grasen.

Der fahrende Schüler faßte in die Seitentasche
des Mantels, zog die Hand verdrießlich zurück und
rief: O über meine ewige Zerstreuung! Hatte
ich mir doch heute Morgen in der Herberge das
Frühstück so sauber zurecht gelegt und eingewickelt,
da muß mir etwas Anderes eingefallen seyn, und
über diesen Gedanken habe ich meine Kost vergessen.

Wenn es weiter nichts ist, rief der junge Rit-
ter, hier ist genug für Euch und mich! Er theilte

voll Gras nicht minder ſchmecken, als meinem
Gelben. Der Tag wird heiß werden, und den
Thieren iſt einige Raſt vonnöthen.

Der fahrende Schüler war mit dem Vorſchlage
zufrieden. Beide ſtiegen ab und ſetzten ſich an der
Straße auf dem wilden Thymian und Lavendel
nieder, von welchem, wie ſie ſich ſetzten, eine ganze
Wolke Wohlgeruchs emporſtieg, und hundert Bien-
chen, die in ihrer Arbeit geſtört wurden, ſich ſum-
mend erhoben. Ein Knapp, der mit einem ſchwer-
beladenen Gaule dem jungen Ritter gefolgt war,
nahm die beiden Thiere in Empfang, reichte ſeinem
Herrn aus dem Schnappſack Flaſche und Becher
nebſt Brod und Fleiſch, kandarte die Thiere ab
und ließ ſie ſeitwärts vom Heerwege graſen.

Der fahrende Schüler faßte in die Seitentaſche
des Mantels, zog die Hand verdrießlich zurück und
rief: O über meine ewige Zerſtreuung! Hatte
ich mir doch heute Morgen in der Herberge das
Frühſtück ſo ſauber zurecht gelegt und eingewickelt,
da muß mir etwas Anderes eingefallen ſeyn, und
über dieſen Gedanken habe ich meine Koſt vergeſſen.

Wenn es weiter nichts iſt, rief der junge Rit-
ter, hier iſt genug für Euch und mich! Er theilte

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0158" n="144"/>
voll Gras nicht minder &#x017F;chmecken, als meinem<lb/>
Gelben. Der Tag wird heiß werden, und den<lb/>
Thieren i&#x017F;t einige Ra&#x017F;t vonnöthen.</p><lb/>
          <p>Der fahrende Schüler war mit dem Vor&#x017F;chlage<lb/>
zufrieden. Beide &#x017F;tiegen ab und &#x017F;etzten &#x017F;ich an der<lb/>
Straße auf dem wilden Thymian und Lavendel<lb/>
nieder, von welchem, wie &#x017F;ie &#x017F;ich &#x017F;etzten, eine ganze<lb/>
Wolke Wohlgeruchs empor&#x017F;tieg, und hundert Bien-<lb/>
chen, die in ihrer Arbeit ge&#x017F;tört wurden, &#x017F;ich &#x017F;um-<lb/>
mend erhoben. Ein Knapp, der mit einem &#x017F;chwer-<lb/>
beladenen Gaule dem jungen Ritter gefolgt war,<lb/>
nahm die beiden Thiere in Empfang, reichte &#x017F;einem<lb/>
Herrn aus dem Schnapp&#x017F;ack Fla&#x017F;che und Becher<lb/>
neb&#x017F;t Brod und Flei&#x017F;ch, kandarte die Thiere ab<lb/>
und ließ &#x017F;ie &#x017F;eitwärts vom Heerwege gra&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Der fahrende Schüler faßte in die Seitenta&#x017F;che<lb/>
des Mantels, zog die Hand verdrießlich zurück und<lb/>
rief: O über meine ewige Zer&#x017F;treuung! Hatte<lb/>
ich mir doch heute Morgen in der Herberge das<lb/>
Früh&#x017F;tück &#x017F;o &#x017F;auber zurecht gelegt und eingewickelt,<lb/>
da muß mir etwas Anderes eingefallen &#x017F;eyn, und<lb/>
über die&#x017F;en Gedanken habe ich meine Ko&#x017F;t verge&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Wenn es weiter nichts i&#x017F;t, rief der junge Rit-<lb/>
ter, hier i&#x017F;t genug für Euch und mich! Er theilte<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[144/0158] voll Gras nicht minder ſchmecken, als meinem Gelben. Der Tag wird heiß werden, und den Thieren iſt einige Raſt vonnöthen. Der fahrende Schüler war mit dem Vorſchlage zufrieden. Beide ſtiegen ab und ſetzten ſich an der Straße auf dem wilden Thymian und Lavendel nieder, von welchem, wie ſie ſich ſetzten, eine ganze Wolke Wohlgeruchs emporſtieg, und hundert Bien- chen, die in ihrer Arbeit geſtört wurden, ſich ſum- mend erhoben. Ein Knapp, der mit einem ſchwer- beladenen Gaule dem jungen Ritter gefolgt war, nahm die beiden Thiere in Empfang, reichte ſeinem Herrn aus dem Schnappſack Flaſche und Becher nebſt Brod und Fleiſch, kandarte die Thiere ab und ließ ſie ſeitwärts vom Heerwege graſen. Der fahrende Schüler faßte in die Seitentaſche des Mantels, zog die Hand verdrießlich zurück und rief: O über meine ewige Zerſtreuung! Hatte ich mir doch heute Morgen in der Herberge das Frühſtück ſo ſauber zurecht gelegt und eingewickelt, da muß mir etwas Anderes eingefallen ſeyn, und über dieſen Gedanken habe ich meine Koſt vergeſſen. Wenn es weiter nichts iſt, rief der junge Rit- ter, hier iſt genug für Euch und mich! Er theilte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/158
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 144. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/158>, abgerufen am 04.05.2024.