Brod und Fleisch, schenkte den Becher voll und reichte Festes und Flüssiges dem Andern hin. Hiebei faßte er ihn schärfer in's Auge, und so that der Andere auch, und da entfuhr ihnen Beiden ein Ausruf des Erstaunens. Seid Ihr nicht ... Bist du nicht ... riefen sie. Freilich bin ich der Konrad von Aufseß! rief der junge Ritter. Und ich Petrus von Stetten! der Andere. Sie um- armten einander und konnten sich vor Freude über dieses unvermuthete Wiedersehen kaum fassen.
Es waren Spielcameraden, die sich zufällig im grünen Spessart trafen. Die Väter hatten auch Freundschaft mit einander gehabt, die Söhne hat- ten zusammen Ball geschlagen, sich hundertmal des Tages gezankt und eben so oft versöhnt. Der junge Petrus war aber von jeher stiller und nach- denklicher gewesen als sein Gefährte, dem nichts im Kopfe sitzen blieb, als die Namen der Waffen- stücke und des Reitzeugs. Endlich hatte Petrus dem Vater erklärt, er wolle gelahrt werden, und war gen Cöln gezogen, zu den Füßen des berühm- ten Albertus Magnus zu sitzen, der aller bekannten Wissenschaften Meister war, und von dem das Gerücht sagte, er sei auch in geheime Künste tief eingeweiht.
Immermann's Münchhausen. 3. Th. 10
Brod und Fleiſch, ſchenkte den Becher voll und reichte Feſtes und Flüſſiges dem Andern hin. Hiebei faßte er ihn ſchärfer in’s Auge, und ſo that der Andere auch, und da entfuhr ihnen Beiden ein Ausruf des Erſtaunens. Seid Ihr nicht … Biſt du nicht … riefen ſie. Freilich bin ich der Konrad von Aufſeß! rief der junge Ritter. Und ich Petrus von Stetten! der Andere. Sie um- armten einander und konnten ſich vor Freude über dieſes unvermuthete Wiederſehen kaum faſſen.
Es waren Spielcameraden, die ſich zufällig im grünen Speſſart trafen. Die Väter hatten auch Freundſchaft mit einander gehabt, die Söhne hat- ten zuſammen Ball geſchlagen, ſich hundertmal des Tages gezankt und eben ſo oft verſöhnt. Der junge Petrus war aber von jeher ſtiller und nach- denklicher geweſen als ſein Gefährte, dem nichts im Kopfe ſitzen blieb, als die Namen der Waffen- ſtücke und des Reitzeugs. Endlich hatte Petrus dem Vater erklärt, er wolle gelahrt werden, und war gen Cöln gezogen, zu den Füßen des berühm- ten Albertus Magnus zu ſitzen, der aller bekannten Wiſſenſchaften Meiſter war, und von dem das Gerücht ſagte, er ſei auch in geheime Künſte tief eingeweiht.
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 10
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0159"n="145"/>
Brod und Fleiſch, ſchenkte den Becher voll und<lb/>
reichte Feſtes und Flüſſiges dem Andern hin.<lb/>
Hiebei faßte er ihn ſchärfer in’s Auge, und ſo that<lb/>
der Andere auch, und da entfuhr ihnen Beiden ein<lb/>
Ausruf des Erſtaunens. Seid Ihr nicht …<lb/>
Biſt du nicht … riefen ſie. Freilich bin ich der<lb/>
Konrad von Aufſeß! rief der junge Ritter. Und<lb/>
ich Petrus von Stetten! der Andere. Sie um-<lb/>
armten einander und konnten ſich vor Freude über<lb/>
dieſes unvermuthete Wiederſehen kaum faſſen.</p><lb/><p>Es waren Spielcameraden, die ſich zufällig im<lb/>
grünen Speſſart trafen. Die Väter hatten auch<lb/>
Freundſchaft mit einander gehabt, die Söhne hat-<lb/>
ten zuſammen Ball geſchlagen, ſich hundertmal des<lb/>
Tages gezankt und eben ſo oft verſöhnt. Der<lb/>
junge Petrus war aber von jeher ſtiller und nach-<lb/>
denklicher geweſen als ſein Gefährte, dem nichts<lb/>
im Kopfe ſitzen blieb, als die Namen der Waffen-<lb/>ſtücke und des Reitzeugs. Endlich hatte Petrus<lb/>
dem Vater erklärt, er wolle gelahrt werden, und<lb/>
war gen Cöln gezogen, zu den Füßen des berühm-<lb/>
ten Albertus Magnus zu ſitzen, der aller bekannten<lb/>
Wiſſenſchaften Meiſter war, und von dem das Gerücht<lb/>ſagte, er ſei auch in geheime Künſte tief eingeweiht.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 10</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[145/0159]
Brod und Fleiſch, ſchenkte den Becher voll und
reichte Feſtes und Flüſſiges dem Andern hin.
Hiebei faßte er ihn ſchärfer in’s Auge, und ſo that
der Andere auch, und da entfuhr ihnen Beiden ein
Ausruf des Erſtaunens. Seid Ihr nicht …
Biſt du nicht … riefen ſie. Freilich bin ich der
Konrad von Aufſeß! rief der junge Ritter. Und
ich Petrus von Stetten! der Andere. Sie um-
armten einander und konnten ſich vor Freude über
dieſes unvermuthete Wiederſehen kaum faſſen.
Es waren Spielcameraden, die ſich zufällig im
grünen Speſſart trafen. Die Väter hatten auch
Freundſchaft mit einander gehabt, die Söhne hat-
ten zuſammen Ball geſchlagen, ſich hundertmal des
Tages gezankt und eben ſo oft verſöhnt. Der
junge Petrus war aber von jeher ſtiller und nach-
denklicher geweſen als ſein Gefährte, dem nichts
im Kopfe ſitzen blieb, als die Namen der Waffen-
ſtücke und des Reitzeugs. Endlich hatte Petrus
dem Vater erklärt, er wolle gelahrt werden, und
war gen Cöln gezogen, zu den Füßen des berühm-
ten Albertus Magnus zu ſitzen, der aller bekannten
Wiſſenſchaften Meiſter war, und von dem das Gerücht
ſagte, er ſei auch in geheime Künſte tief eingeweiht.
Immermann’s Münchhauſen. 3. Th. 10
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 145. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/159>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.