Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Breite und zwanzig in der Länge, Ebenen und
Berge, Thäler und Klüfte bedeckt.

Auf der großen Heerstraße, die querdurch vom
Rheinlande nach Würzburg und Bamberg läuft,
begegneten einander die Jünglinge. Der Eine kam
von Abend, der Andere von Morgen. Ihre Thiere
waren so verschieden als ihre Wege. Der vom
Morgen saß auf einem gelben fröhlich tanzenden
Rößlein und stolzirte gar stattlich im bunten Wap-
penrock unter rothem Sammetbarret, von welchem
die Reiherfedern herabwallten; der vom Abend trug
eine schwarze Kappe ohne Abzeichen, einen langen
Schülermantel gleicher Farbe, und ritt auf einem
bescheidenen Maulthiere.

Als der junge Ritter dem fahrenden Schüler
sich auf Rosseslänge genähert hatte, hielt er seinen
Gelben an, bot dem Andern freundlich die Zeit
und sagte: Guter Gesell, ich wollte so eben abstei-
gen und meinen Morgen-Imbiß halten. Da nun
aber zur Minne, zum Spiele und zum Mahl Zwei
gehören, wenn diese drei lustigen Dinge gehörig
von Statten gehen sollen, so wollte ich Euch fra-
gen, ob Ihr nicht auch absteigen und mein Part-
ner seyn wollt? Eurem Grauen würde ein Maul-

Breite und zwanzig in der Länge, Ebenen und
Berge, Thäler und Klüfte bedeckt.

Auf der großen Heerſtraße, die querdurch vom
Rheinlande nach Würzburg und Bamberg läuft,
begegneten einander die Jünglinge. Der Eine kam
von Abend, der Andere von Morgen. Ihre Thiere
waren ſo verſchieden als ihre Wege. Der vom
Morgen ſaß auf einem gelben fröhlich tanzenden
Rößlein und ſtolzirte gar ſtattlich im bunten Wap-
penrock unter rothem Sammetbarret, von welchem
die Reiherfedern herabwallten; der vom Abend trug
eine ſchwarze Kappe ohne Abzeichen, einen langen
Schülermantel gleicher Farbe, und ritt auf einem
beſcheidenen Maulthiere.

Als der junge Ritter dem fahrenden Schüler
ſich auf Roſſeslänge genähert hatte, hielt er ſeinen
Gelben an, bot dem Andern freundlich die Zeit
und ſagte: Guter Geſell, ich wollte ſo eben abſtei-
gen und meinen Morgen-Imbiß halten. Da nun
aber zur Minne, zum Spiele und zum Mahl Zwei
gehören, wenn dieſe drei luſtigen Dinge gehörig
von Statten gehen ſollen, ſo wollte ich Euch fra-
gen, ob Ihr nicht auch abſteigen und mein Part-
ner ſeyn wollt? Eurem Grauen würde ein Maul-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0157" n="143"/>
Breite und zwanzig in der Länge, Ebenen und<lb/>
Berge, Thäler und Klüfte bedeckt.</p><lb/>
          <p>Auf der großen Heer&#x017F;traße, die querdurch vom<lb/>
Rheinlande nach Würzburg und Bamberg läuft,<lb/>
begegneten einander die Jünglinge. Der Eine kam<lb/>
von Abend, der Andere von Morgen. Ihre Thiere<lb/>
waren &#x017F;o ver&#x017F;chieden als ihre Wege. Der vom<lb/>
Morgen &#x017F;aß auf einem gelben fröhlich tanzenden<lb/>
Rößlein und &#x017F;tolzirte gar &#x017F;tattlich im bunten Wap-<lb/>
penrock unter rothem Sammetbarret, von welchem<lb/>
die Reiherfedern herabwallten; der vom Abend trug<lb/>
eine &#x017F;chwarze Kappe ohne Abzeichen, einen langen<lb/>
Schülermantel gleicher Farbe, und ritt auf einem<lb/>
be&#x017F;cheidenen Maulthiere.</p><lb/>
          <p>Als der junge Ritter dem fahrenden Schüler<lb/>
&#x017F;ich auf Ro&#x017F;&#x017F;eslänge genähert hatte, hielt er &#x017F;einen<lb/>
Gelben an, bot dem Andern freundlich die Zeit<lb/>
und &#x017F;agte: Guter Ge&#x017F;ell, ich wollte &#x017F;o eben ab&#x017F;tei-<lb/>
gen und meinen Morgen-Imbiß halten. Da nun<lb/>
aber zur Minne, zum Spiele und zum Mahl Zwei<lb/>
gehören, wenn die&#x017F;e drei lu&#x017F;tigen Dinge gehörig<lb/>
von Statten gehen &#x017F;ollen, &#x017F;o wollte ich Euch fra-<lb/>
gen, ob Ihr nicht auch ab&#x017F;teigen und mein Part-<lb/>
ner &#x017F;eyn wollt? Eurem Grauen würde ein Maul-<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[143/0157] Breite und zwanzig in der Länge, Ebenen und Berge, Thäler und Klüfte bedeckt. Auf der großen Heerſtraße, die querdurch vom Rheinlande nach Würzburg und Bamberg läuft, begegneten einander die Jünglinge. Der Eine kam von Abend, der Andere von Morgen. Ihre Thiere waren ſo verſchieden als ihre Wege. Der vom Morgen ſaß auf einem gelben fröhlich tanzenden Rößlein und ſtolzirte gar ſtattlich im bunten Wap- penrock unter rothem Sammetbarret, von welchem die Reiherfedern herabwallten; der vom Abend trug eine ſchwarze Kappe ohne Abzeichen, einen langen Schülermantel gleicher Farbe, und ritt auf einem beſcheidenen Maulthiere. Als der junge Ritter dem fahrenden Schüler ſich auf Roſſeslänge genähert hatte, hielt er ſeinen Gelben an, bot dem Andern freundlich die Zeit und ſagte: Guter Geſell, ich wollte ſo eben abſtei- gen und meinen Morgen-Imbiß halten. Da nun aber zur Minne, zum Spiele und zum Mahl Zwei gehören, wenn dieſe drei luſtigen Dinge gehörig von Statten gehen ſollen, ſo wollte ich Euch fra- gen, ob Ihr nicht auch abſteigen und mein Part- ner ſeyn wollt? Eurem Grauen würde ein Maul-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/157
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 3. Düsseldorf, 1839, S. 143. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen03_1839/157>, abgerufen am 05.05.2024.