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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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wie ein indischer Büßer seine Nasenspitze betrach-
tend.

Kam er dann doch wieder einmal zu den Uebri-
gen, so zog er sich immer bald wieder zurück, denn
Niemand achtete seiner, Münchhausen nicht, weil er
den Abkömmling des Königs Agesilaus nicht be-
durfte, das Fräulein nicht, weil sie, wie wir wissen,
allem Irdischen überhaupt bereits entrückt war,
der alte Baron nicht, weil er über den Munkel
nachsann.

Was Münchhausen betrifft, so erhielt sich dieser
wunderbare Charakter zwar äußerlich die Fassung,
in welcher er so stark war; durch seinen Busen
aber stürmten auch manche Sorgen. Daß er den
alten Schloßherrn mit seinen Erzählungen langweile,
hatte er schon seit geraumer Zeit bemerkt, daß
sich ein gefährliches Grübeln an seine Person zu
heften beginne, mußte er nun gewahr werden.
Dieses war ihm unangenehm. Ihm lag daran,
noch eine Zeitlang als ruhiger, wenn auch höchst
geistreicher und vielerfahrener Privatmann das Ob-
dach und die Speise des Schlosses zu genießen. --
Er nahm sich daher vor, einen wahren Heroismus
im Erzählen zu entfalten und den Baron dadurch

wie ein indiſcher Büßer ſeine Naſenſpitze betrach-
tend.

Kam er dann doch wieder einmal zu den Uebri-
gen, ſo zog er ſich immer bald wieder zurück, denn
Niemand achtete ſeiner, Münchhauſen nicht, weil er
den Abkömmling des Königs Ageſilaus nicht be-
durfte, das Fräulein nicht, weil ſie, wie wir wiſſen,
allem Irdiſchen überhaupt bereits entrückt war,
der alte Baron nicht, weil er über den Munkel
nachſann.

Was Münchhauſen betrifft, ſo erhielt ſich dieſer
wunderbare Charakter zwar äußerlich die Faſſung,
in welcher er ſo ſtark war; durch ſeinen Buſen
aber ſtürmten auch manche Sorgen. Daß er den
alten Schloßherrn mit ſeinen Erzählungen langweile,
hatte er ſchon ſeit geraumer Zeit bemerkt, daß
ſich ein gefährliches Grübeln an ſeine Perſon zu
heften beginne, mußte er nun gewahr werden.
Dieſes war ihm unangenehm. Ihm lag daran,
noch eine Zeitlang als ruhiger, wenn auch höchſt
geiſtreicher und vielerfahrener Privatmann das Ob-
dach und die Speiſe des Schloſſes zu genießen. —
Er nahm ſich daher vor, einen wahren Heroismus
im Erzählen zu entfalten und den Baron dadurch

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[57/0075] wie ein indiſcher Büßer ſeine Naſenſpitze betrach- tend. Kam er dann doch wieder einmal zu den Uebri- gen, ſo zog er ſich immer bald wieder zurück, denn Niemand achtete ſeiner, Münchhauſen nicht, weil er den Abkömmling des Königs Ageſilaus nicht be- durfte, das Fräulein nicht, weil ſie, wie wir wiſſen, allem Irdiſchen überhaupt bereits entrückt war, der alte Baron nicht, weil er über den Munkel nachſann. Was Münchhauſen betrifft, ſo erhielt ſich dieſer wunderbare Charakter zwar äußerlich die Faſſung, in welcher er ſo ſtark war; durch ſeinen Buſen aber ſtürmten auch manche Sorgen. Daß er den alten Schloßherrn mit ſeinen Erzählungen langweile, hatte er ſchon ſeit geraumer Zeit bemerkt, daß ſich ein gefährliches Grübeln an ſeine Perſon zu heften beginne, mußte er nun gewahr werden. Dieſes war ihm unangenehm. Ihm lag daran, noch eine Zeitlang als ruhiger, wenn auch höchſt geiſtreicher und vielerfahrener Privatmann das Ob- dach und die Speiſe des Schloſſes zu genießen. — Er nahm ſich daher vor, einen wahren Heroismus im Erzählen zu entfalten und den Baron dadurch

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 57. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/75>, abgerufen am 23.12.2024.