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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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rische Person, vielleicht das einzige Exemplar seiner
Gattung! sagte der alte Schloßherr.

Leider blieb seine brennende Neugier ohne Be-
friedigung, denn Niemand konnte ihm ein Licht
über den Mann anzünden, der unter den Menschen
kaum seines Gleichen zu haben schien. Münch-
hausen wich mit siegreicher Gewandtheit allen Ver-
suchen, ihn bis über einen gewissen Punct hin zu
erforschen, aus. Den Bedienten aber über den
Herrn zu verhören -- diesen Gedanken hatte er,
als er flüchtig in ihm einstmals emporgestiegen war,
weit von sich hinweggewiesen. Trotz aller seiner
Narrheiten war der Baron von Schnuck ein Mann
von altdeutscher Sitte und Höflichkeit. Noch nie-
mals hatte er vergessen, was er seinem Gaste
schuldig war. So, zwischen Verlangen und Un-
möglichkeit, den Schleier zu heben, umgetrieben,
wurde sein Herz bis zum Rande voll von Unruhe
und Verdrießlichkeit.

Der Schulmeister endlich war in den Zustand
ernster Selbstbetrachtung hineingerathen. Er be-
gann sich noch mehr, als früher, von den Zusam-
menkünften der Schloßbewohner fern zu halten,
und saß Tagelang einsam auf dem Gebirge Taygetus,

riſche Perſon, vielleicht das einzige Exemplar ſeiner
Gattung! ſagte der alte Schloßherr.

Leider blieb ſeine brennende Neugier ohne Be-
friedigung, denn Niemand konnte ihm ein Licht
über den Mann anzünden, der unter den Menſchen
kaum ſeines Gleichen zu haben ſchien. Münch-
hauſen wich mit ſiegreicher Gewandtheit allen Ver-
ſuchen, ihn bis über einen gewiſſen Punct hin zu
erforſchen, aus. Den Bedienten aber über den
Herrn zu verhören — dieſen Gedanken hatte er,
als er flüchtig in ihm einſtmals emporgeſtiegen war,
weit von ſich hinweggewieſen. Trotz aller ſeiner
Narrheiten war der Baron von Schnuck ein Mann
von altdeutſcher Sitte und Höflichkeit. Noch nie-
mals hatte er vergeſſen, was er ſeinem Gaſte
ſchuldig war. So, zwiſchen Verlangen und Un-
möglichkeit, den Schleier zu heben, umgetrieben,
wurde ſein Herz bis zum Rande voll von Unruhe
und Verdrießlichkeit.

Der Schulmeiſter endlich war in den Zuſtand
ernſter Selbſtbetrachtung hineingerathen. Er be-
gann ſich noch mehr, als früher, von den Zuſam-
menkünften der Schloßbewohner fern zu halten,
und ſaß Tagelang einſam auf dem Gebirge Taygetus,

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[56/0074] riſche Perſon, vielleicht das einzige Exemplar ſeiner Gattung! ſagte der alte Schloßherr. Leider blieb ſeine brennende Neugier ohne Be- friedigung, denn Niemand konnte ihm ein Licht über den Mann anzünden, der unter den Menſchen kaum ſeines Gleichen zu haben ſchien. Münch- hauſen wich mit ſiegreicher Gewandtheit allen Ver- ſuchen, ihn bis über einen gewiſſen Punct hin zu erforſchen, aus. Den Bedienten aber über den Herrn zu verhören — dieſen Gedanken hatte er, als er flüchtig in ihm einſtmals emporgeſtiegen war, weit von ſich hinweggewieſen. Trotz aller ſeiner Narrheiten war der Baron von Schnuck ein Mann von altdeutſcher Sitte und Höflichkeit. Noch nie- mals hatte er vergeſſen, was er ſeinem Gaſte ſchuldig war. So, zwiſchen Verlangen und Un- möglichkeit, den Schleier zu heben, umgetrieben, wurde ſein Herz bis zum Rande voll von Unruhe und Verdrießlichkeit. Der Schulmeiſter endlich war in den Zuſtand ernſter Selbſtbetrachtung hineingerathen. Er be- gann ſich noch mehr, als früher, von den Zuſam- menkünften der Schloßbewohner fern zu halten, und ſaß Tagelang einſam auf dem Gebirge Taygetus,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 56. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/74>, abgerufen am 04.05.2024.