über'm Wald heut eine Dienstmagd zu besprechen, in der ein mordbrennerischer Schwed' aus dem dreißigjährigen Krieg' sitzt; der Gauch wollt' durch- aus wissen, ob in dem von ihm angezündeten Hause, was er mir selbst nicht nennen konnte, seine lederne Feldflasch' mit verbrannt sei, die er seitdem ver- misse; eher könne er nicht zur Ruhe kommen. Das Geschäft hatte mich stark angegriffen, denn der Schwed' ließ sich erst gar nicht bedeuten. Hernach mußte ich mich stärken, und von der Stärk' gerieth ich darauf in einige Schwachheit.
Nach Tische besah ich mit Kernbeißer das ganze Etablissement. In den Stuben umher saßen und schliefen sechs bis sieben Hellseherinnen, ich wurde mit ihnen in Rapport gesetzt und erhielt die wich- tigsten Aufklärungen über die geheimsten Dinge, als zum Beispiel, wann ich die erste Uhr geschenkt bekommen habe, welchen Namen mein großer Hund führe, den ich zu Hause gelassen, wie viel ich dem Wirth in Ulm schuldig verblieben sei? -- Bei einigen rutschte, klöpfelte, täppelte, klatschte, polterte es in den Stuben, dazu war ein Regen an den Fenstervorhängen und hin und wieder ein bischen Lichtschimmer, auch das Geräusch, wie wenn man
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über’m Wald heut eine Dienſtmagd zu beſprechen, in der ein mordbrenneriſcher Schwed’ aus dem dreißigjährigen Krieg’ ſitzt; der Gauch wollt’ durch- aus wiſſen, ob in dem von ihm angezündeten Hauſe, was er mir ſelbſt nicht nennen konnte, ſeine lederne Feldflaſch’ mit verbrannt ſei, die er ſeitdem ver- miſſe; eher könne er nicht zur Ruhe kommen. Das Geſchäft hatte mich ſtark angegriffen, denn der Schwed’ ließ ſich erſt gar nicht bedeuten. Hernach mußte ich mich ſtärken, und von der Stärk’ gerieth ich darauf in einige Schwachheit.
Nach Tiſche beſah ich mit Kernbeißer das ganze Etabliſſement. In den Stuben umher ſaßen und ſchliefen ſechs bis ſieben Hellſeherinnen, ich wurde mit ihnen in Rapport geſetzt und erhielt die wich- tigſten Aufklärungen über die geheimſten Dinge, als zum Beiſpiel, wann ich die erſte Uhr geſchenkt bekommen habe, welchen Namen mein großer Hund führe, den ich zu Hauſe gelaſſen, wie viel ich dem Wirth in Ulm ſchuldig verblieben ſei? — Bei einigen rutſchte, klöpfelte, täppelte, klatſchte, polterte es in den Stuben, dazu war ein Regen an den Fenſtervorhängen und hin und wieder ein bischen Lichtſchimmer, auch das Geräuſch, wie wenn man
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über’m Wald heut eine Dienſtmagd zu beſprechen,
in der ein mordbrenneriſcher Schwed’ aus dem
dreißigjährigen Krieg’ ſitzt; der Gauch wollt’ durch-
aus wiſſen, ob in dem von ihm angezündeten Hauſe,
was er mir ſelbſt nicht nennen konnte, ſeine lederne
Feldflaſch’ mit verbrannt ſei, die er ſeitdem ver-
miſſe; eher könne er nicht zur Ruhe kommen. Das
Geſchäft hatte mich ſtark angegriffen, denn der
Schwed’ ließ ſich erſt gar nicht bedeuten. Hernach
mußte ich mich ſtärken, und von der Stärk’ gerieth
ich darauf in einige Schwachheit.
Nach Tiſche beſah ich mit Kernbeißer das ganze
Etabliſſement. In den Stuben umher ſaßen und
ſchliefen ſechs bis ſieben Hellſeherinnen, ich wurde
mit ihnen in Rapport geſetzt und erhielt die wich-
tigſten Aufklärungen über die geheimſten Dinge,
als zum Beiſpiel, wann ich die erſte Uhr geſchenkt
bekommen habe, welchen Namen mein großer Hund
führe, den ich zu Hauſe gelaſſen, wie viel ich dem
Wirth in Ulm ſchuldig verblieben ſei? — Bei
einigen rutſchte, klöpfelte, täppelte, klatſchte, polterte
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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 259. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/277>, abgerufen am 23.12.2024.
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