Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine tragische Verzweiflung bemächtigte sich
meiner. Ich sann auf Selbstmord. Ich wollte die
Natur zwingen; wie Andere sich der Speise ent-
halten, wollte ich dem Borstbesen der Reinigungs-
person sein Opfer unterschlagen -- lange -- für immer!
-- -- Denn ich fühlte, daß, mit Heldenmuth den
Entschluß durchgeführt, der Organismus untergehen
müsse. Diese Weise, zu enden, dünkte mich die
erhabenste, reinste, sie kam mir neu und unnach-
ahmlich vor.

Ich hielt mich still für mich. Zwei Tage lang
rastete das Thürschloß meines Verschlages. Die
Reinigungsperson umschlich mich unheimlich spähend.
Ich dachte: Schleich du; ich sterbe!

Am dritten Tage ließ Myn Heer van Streef die
Späherin rufen und fragte sie, was mir fehle? ich
stehe ja so verdrossen und ohrhängerig da? Griete
berichtete dem Herrn, was sie wußte. -- So muß man
abwarten, ob es sich bis morgen mit ihm bessert,
sprach mein fühlloser Gebieter, und wenn das nicht
geschieht, so gebt ihm -- -- Er verordnete das
schnelle und unwiderstehliche Mittel, gegen welches
in solchen Fällen selbst der Heldenmuth eines Cato
sich fruchtlos stemmen würde.


Eine tragiſche Verzweiflung bemächtigte ſich
meiner. Ich ſann auf Selbſtmord. Ich wollte die
Natur zwingen; wie Andere ſich der Speiſe ent-
halten, wollte ich dem Borſtbeſen der Reinigungs-
perſon ſein Opfer unterſchlagen — lange — für immer!
— — Denn ich fühlte, daß, mit Heldenmuth den
Entſchluß durchgeführt, der Organismus untergehen
müſſe. Dieſe Weiſe, zu enden, dünkte mich die
erhabenſte, reinſte, ſie kam mir neu und unnach-
ahmlich vor.

Ich hielt mich ſtill für mich. Zwei Tage lang
raſtete das Thürſchloß meines Verſchlages. Die
Reinigungsperſon umſchlich mich unheimlich ſpähend.
Ich dachte: Schleich du; ich ſterbe!

Am dritten Tage ließ Myn Heer van Streef die
Späherin rufen und fragte ſie, was mir fehle? ich
ſtehe ja ſo verdroſſen und ohrhängerig da? Griete
berichtete dem Herrn, was ſie wußte. — So muß man
abwarten, ob es ſich bis morgen mit ihm beſſert,
ſprach mein fühlloſer Gebieter, und wenn das nicht
geſchieht, ſo gebt ihm — — Er verordnete das
ſchnelle und unwiderſtehliche Mittel, gegen welches
in ſolchen Fällen ſelbſt der Heldenmuth eines Cato
ſich fruchtlos ſtemmen würde.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0216" n="198"/>
          <p>Eine tragi&#x017F;che Verzweiflung bemächtigte &#x017F;ich<lb/>
meiner. Ich &#x017F;ann auf Selb&#x017F;tmord. Ich wollte die<lb/>
Natur zwingen; wie Andere &#x017F;ich der Spei&#x017F;e ent-<lb/>
halten, wollte ich dem Bor&#x017F;tbe&#x017F;en der Reinigungs-<lb/>
per&#x017F;on &#x017F;ein Opfer unter&#x017F;chlagen &#x2014; lange &#x2014; für immer!<lb/>
&#x2014; &#x2014; Denn ich fühlte, daß, mit Heldenmuth den<lb/>
Ent&#x017F;chluß durchgeführt, der Organismus untergehen<lb/>&#x017F;&#x017F;e. Die&#x017F;e Wei&#x017F;e, zu enden, dünkte mich die<lb/>
erhaben&#x017F;te, rein&#x017F;te, &#x017F;ie kam mir neu und unnach-<lb/>
ahmlich vor.</p><lb/>
          <p>Ich hielt mich &#x017F;till für mich. Zwei Tage lang<lb/>
ra&#x017F;tete das Thür&#x017F;chloß meines Ver&#x017F;chlages. Die<lb/>
Reinigungsper&#x017F;on um&#x017F;chlich mich unheimlich &#x017F;pähend.<lb/>
Ich dachte: Schleich du; ich &#x017F;terbe!</p><lb/>
          <p>Am dritten Tage ließ Myn Heer van Streef die<lb/>
Späherin rufen und fragte &#x017F;ie, was mir fehle? ich<lb/>
&#x017F;tehe ja &#x017F;o verdro&#x017F;&#x017F;en und ohrhängerig da? Griete<lb/>
berichtete dem Herrn, was &#x017F;ie wußte. &#x2014; So muß man<lb/>
abwarten, ob es &#x017F;ich bis morgen mit ihm be&#x017F;&#x017F;ert,<lb/>
&#x017F;prach mein fühllo&#x017F;er Gebieter, und wenn das nicht<lb/>
ge&#x017F;chieht, &#x017F;o gebt ihm &#x2014; &#x2014; Er verordnete das<lb/>
&#x017F;chnelle und unwider&#x017F;tehliche Mittel, gegen welches<lb/>
in &#x017F;olchen Fällen &#x017F;elb&#x017F;t der Heldenmuth eines Cato<lb/>
&#x017F;ich fruchtlos &#x017F;temmen würde.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[198/0216] Eine tragiſche Verzweiflung bemächtigte ſich meiner. Ich ſann auf Selbſtmord. Ich wollte die Natur zwingen; wie Andere ſich der Speiſe ent- halten, wollte ich dem Borſtbeſen der Reinigungs- perſon ſein Opfer unterſchlagen — lange — für immer! — — Denn ich fühlte, daß, mit Heldenmuth den Entſchluß durchgeführt, der Organismus untergehen müſſe. Dieſe Weiſe, zu enden, dünkte mich die erhabenſte, reinſte, ſie kam mir neu und unnach- ahmlich vor. Ich hielt mich ſtill für mich. Zwei Tage lang raſtete das Thürſchloß meines Verſchlages. Die Reinigungsperſon umſchlich mich unheimlich ſpähend. Ich dachte: Schleich du; ich ſterbe! Am dritten Tage ließ Myn Heer van Streef die Späherin rufen und fragte ſie, was mir fehle? ich ſtehe ja ſo verdroſſen und ohrhängerig da? Griete berichtete dem Herrn, was ſie wußte. — So muß man abwarten, ob es ſich bis morgen mit ihm beſſert, ſprach mein fühlloſer Gebieter, und wenn das nicht geſchieht, ſo gebt ihm — — Er verordnete das ſchnelle und unwiderſtehliche Mittel, gegen welches in ſolchen Fällen ſelbſt der Heldenmuth eines Cato ſich fruchtlos ſtemmen würde.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/216
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/216>, abgerufen am 29.11.2024.