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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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solle -- Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin
außer sich setzten, weil sie ihnen das Beleidigendste
dünkten, was ihnen nur gesagt werden konnte.
Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä-
fer. -- Warum soll denn Unsereins nicht fressen, was
Unsereinem schmeckt? -- Ich such', such', such' Ge-
ruch! summte die Fliege. Am meisten ärgerte es
die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß sie ihre
Besserer draußen behaglich in Laub und Feigen
knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften
ermahnenden Reden gleichsam nur dienten, sich der
Verdauung halber nach dem Essen eine Bewegung
zu machen. Indessen nahmen die Dinge für Beide
eine sehr ernste Gestalt an, denn sie bekamen na-
türlich nicht das Allergeringste zu essen und fielen
daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine-
ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde
so matt, daß es kaum noch auf den Füßen stehen
konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die
Flügel hängen.

In dieser traurigen Verfassung überkam sie der
den Thieren eingepflanzte schlaue Trieb der Selbst-
erhaltung. Sie setzten sich vor zu heucheln, und
gaben klägliche und melancholische Tone von sich.

ſolle — Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin
außer ſich ſetzten, weil ſie ihnen das Beleidigendſte
dünkten, was ihnen nur geſagt werden konnte.
Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä-
fer. — Warum ſoll denn Unſereins nicht freſſen, was
Unſereinem ſchmeckt? — Ich ſuch’, ſuch’, ſuch’ Ge-
ruch! ſummte die Fliege. Am meiſten ärgerte es
die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß ſie ihre
Beſſerer draußen behaglich in Laub und Feigen
knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften
ermahnenden Reden gleichſam nur dienten, ſich der
Verdauung halber nach dem Eſſen eine Bewegung
zu machen. Indeſſen nahmen die Dinge für Beide
eine ſehr ernſte Geſtalt an, denn ſie bekamen na-
türlich nicht das Allergeringſte zu eſſen und fielen
daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine-
ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde
ſo matt, daß es kaum noch auf den Füßen ſtehen
konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die
Flügel hängen.

In dieſer traurigen Verfaſſung überkam ſie der
den Thieren eingepflanzte ſchlaue Trieb der Selbſt-
erhaltung. Sie ſetzten ſich vor zu heucheln, und
gaben klägliche und melancholiſche Tone von ſich.

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[165/0183] ſolle — Zumuthungen, die Roß und Schwärmerin außer ſich ſetzten, weil ſie ihnen das Beleidigendſte dünkten, was ihnen nur geſagt werden konnte. Seelenverkäufer! Seelenverkäufer! brummte der Kä- fer. — Warum ſoll denn Unſereins nicht freſſen, was Unſereinem ſchmeckt? — Ich ſuch’, ſuch’, ſuch’ Ge- ruch! ſummte die Fliege. Am meiſten ärgerte es die beiden Candidaten der Sittlichkeit, daß ſie ihre Beſſerer draußen behaglich in Laub und Feigen knarpen hörten, und daß denen die tugendhaften ermahnenden Reden gleichſam nur dienten, ſich der Verdauung halber nach dem Eſſen eine Bewegung zu machen. Indeſſen nahmen die Dinge für Beide eine ſehr ernſte Geſtalt an, denn ſie bekamen na- türlich nicht das Allergeringſte zu eſſen und fielen daher während ihrer Bearbeitung zu einem reine- ren Leben jämmerlich ab. Das Trygäosroß wurde ſo matt, daß es kaum noch auf den Füßen ſtehen konnte; die blaue Schwärmerin ließ kraftlos die Flügel hängen. In dieſer traurigen Verfaſſung überkam ſie der den Thieren eingepflanzte ſchlaue Trieb der Selbſt- erhaltung. Sie ſetzten ſich vor zu heucheln, und gaben klägliche und melancholiſche Tone von ſich.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 165. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/183>, abgerufen am 28.04.2024.