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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839.

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Höre! rief Solon dem Plato zu (denn Felsritze
und Feigenbaum waren einander nahe;) das Laster
schlägt in sich, die ersten Kennzeichen der Reue sind
zu spüren. -- Meine arme Gefallene ächzt auch
schon über ihr Unheil, versetzte Plato. Nach eini-
ger Zeit prüften die beiden ehrwürdigen Ziegen-
gatten den Sinn der Bekehrten, indem Plato ein
Stückchen Feige, welches noch am Baume gehangen
hatte, vorsichtig in das Astloch schob, Solon aber
ein Lilien- und Rosenblättchen unter den Kiesel in
die Felsritze zu bringen wußte.

Roß und Schwärmerin erbebten vor Grimm
bei dieser Darlegung abscheulicher Anträge, wie sie
ihnen vorkommen mußten. Die Schwärmerin wich
entsetzt vor dem Feigenstücklein in die letzte Ecke
des Astloches zurück, das Roß stieß die Blätter,
deren Geruch ihm den Athem raubte und die Luft
seines Wohnortes ihm zu verpesten schien, mit den
kurzen, kräftigen Beinen von sich ab. -- Nieder-
trächtiger Gestank! brummte es. -- Sollte man's
glauben, daß es Narren giebt, die an dem gräulichen
Zeuge Behagen finden? Ich ersticke! O meine Am-
brosia! -- Feigen! Feigen! Feigen! Kinderpapp!
Kinderpapp! tosete die Schwärmerinn.


Höre! rief Solon dem Plato zu (denn Felsritze
und Feigenbaum waren einander nahe;) das Laſter
ſchlägt in ſich, die erſten Kennzeichen der Reue ſind
zu ſpüren. — Meine arme Gefallene ächzt auch
ſchon über ihr Unheil, verſetzte Plato. Nach eini-
ger Zeit prüften die beiden ehrwürdigen Ziegen-
gatten den Sinn der Bekehrten, indem Plato ein
Stückchen Feige, welches noch am Baume gehangen
hatte, vorſichtig in das Aſtloch ſchob, Solon aber
ein Lilien- und Roſenblättchen unter den Kieſel in
die Felsritze zu bringen wußte.

Roß und Schwärmerin erbebten vor Grimm
bei dieſer Darlegung abſcheulicher Anträge, wie ſie
ihnen vorkommen mußten. Die Schwärmerin wich
entſetzt vor dem Feigenſtücklein in die letzte Ecke
des Aſtloches zurück, das Roß ſtieß die Blätter,
deren Geruch ihm den Athem raubte und die Luft
ſeines Wohnortes ihm zu verpeſten ſchien, mit den
kurzen, kräftigen Beinen von ſich ab. — Nieder-
trächtiger Geſtank! brummte es. — Sollte man’s
glauben, daß es Narren giebt, die an dem gräulichen
Zeuge Behagen finden? Ich erſticke! O meine Am-
broſia! — Feigen! Feigen! Feigen! Kinderpapp!
Kinderpapp! toſete die Schwärmerinn.


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[166/0184] Höre! rief Solon dem Plato zu (denn Felsritze und Feigenbaum waren einander nahe;) das Laſter ſchlägt in ſich, die erſten Kennzeichen der Reue ſind zu ſpüren. — Meine arme Gefallene ächzt auch ſchon über ihr Unheil, verſetzte Plato. Nach eini- ger Zeit prüften die beiden ehrwürdigen Ziegen- gatten den Sinn der Bekehrten, indem Plato ein Stückchen Feige, welches noch am Baume gehangen hatte, vorſichtig in das Aſtloch ſchob, Solon aber ein Lilien- und Roſenblättchen unter den Kieſel in die Felsritze zu bringen wußte. Roß und Schwärmerin erbebten vor Grimm bei dieſer Darlegung abſcheulicher Anträge, wie ſie ihnen vorkommen mußten. Die Schwärmerin wich entſetzt vor dem Feigenſtücklein in die letzte Ecke des Aſtloches zurück, das Roß ſtieß die Blätter, deren Geruch ihm den Athem raubte und die Luft ſeines Wohnortes ihm zu verpeſten ſchien, mit den kurzen, kräftigen Beinen von ſich ab. — Nieder- trächtiger Geſtank! brummte es. — Sollte man’s glauben, daß es Narren giebt, die an dem gräulichen Zeuge Behagen finden? Ich erſticke! O meine Am- broſia! — Feigen! Feigen! Feigen! Kinderpapp! Kinderpapp! toſete die Schwärmerinn.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 166. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/184>, abgerufen am 28.04.2024.