Pferd hatte grasen lassen und der todte Lämmer- geier lag. Wo das Pferd gestanden, fanden sie einen Käfer mit schwarz-glänzenden Flügeldecken, einen der Art, welche bei Aristophanes die Knechte des Trygäos dem Herrn für den Ritt zu Zeus auffüttern, und die Deutschen Mistkäfer nennen. An dem Halse des Geiers aber bemerkten sie die stahlblaue Fliege, Schmeißfliege geheißen. -- Ich will, Bruder Schnuck, ungeachtet deine göttliche Tochter nicht zugegen ist, dennoch den Käfer aus Rücksicht auf deine Delicatesse nur das Roß des Trygäos und die Fliege die blaue Schwärmerin nennen, sagte Münchhausen, vom Manuscripte auf- sehend.
"Erlaube" -- rief der alte Baron fast wüthend.
Erlaube mir, sagte Münchhausen, dir die Ge- schichte von dem Käfer und der Fliege vorzutragen. --
Dreht sich Einem nicht das reine Herz im Leibe um, rief einer der Gatten, zwei Mitwesen in solcher Niedertracht zu sehen? O Brüder, laßt uns hier helfend einschreiten, laßt uns diesen Ge- fallenen die rettende Klaue reichen, entwöhnen wir den Käfer von seinen üblen Neigungen, die Fliege von der Leidenschaft, selbst die ungeborene Zukunft
Pferd hatte graſen laſſen und der todte Lämmer- geier lag. Wo das Pferd geſtanden, fanden ſie einen Käfer mit ſchwarz-glänzenden Flügeldecken, einen der Art, welche bei Ariſtophanes die Knechte des Trygäos dem Herrn für den Ritt zu Zeus auffüttern, und die Deutſchen Miſtkäfer nennen. An dem Halſe des Geiers aber bemerkten ſie die ſtahlblaue Fliege, Schmeißfliege geheißen. — Ich will, Bruder Schnuck, ungeachtet deine göttliche Tochter nicht zugegen iſt, dennoch den Käfer aus Rückſicht auf deine Delicateſſe nur das Roß des Trygäos und die Fliege die blaue Schwärmerin nennen, ſagte Münchhauſen, vom Manuſcripte auf- ſehend.
„Erlaube“ — rief der alte Baron faſt wüthend.
Erlaube mir, ſagte Münchhauſen, dir die Ge- ſchichte von dem Käfer und der Fliege vorzutragen. —
Dreht ſich Einem nicht das reine Herz im Leibe um, rief einer der Gatten, zwei Mitweſen in ſolcher Niedertracht zu ſehen? O Brüder, laßt uns hier helfend einſchreiten, laßt uns dieſen Ge- fallenen die rettende Klaue reichen, entwöhnen wir den Käfer von ſeinen üblen Neigungen, die Fliege von der Leidenſchaft, ſelbſt die ungeborene Zukunft
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0177"n="159"/>
Pferd hatte graſen laſſen und der todte Lämmer-<lb/>
geier lag. Wo das Pferd geſtanden, fanden ſie<lb/>
einen Käfer mit ſchwarz-glänzenden Flügeldecken,<lb/>
einen <hirendition="#g">der</hi> Art, welche bei Ariſtophanes die Knechte<lb/>
des Trygäos dem Herrn für den Ritt zu Zeus<lb/>
auffüttern, und die Deutſchen Miſtkäfer nennen.<lb/>
An dem Halſe des Geiers aber bemerkten ſie die<lb/>ſtahlblaue Fliege, Schmeißfliege geheißen. — Ich<lb/>
will, Bruder Schnuck, ungeachtet deine göttliche<lb/>
Tochter nicht zugegen iſt, dennoch den Käfer aus<lb/>
Rückſicht auf deine Delicateſſe nur das Roß des<lb/>
Trygäos und die Fliege die blaue Schwärmerin<lb/>
nennen, ſagte Münchhauſen, vom Manuſcripte auf-<lb/>ſehend.</p><lb/><p>„Erlaube“— rief der alte Baron faſt wüthend.</p><lb/><p>Erlaube <hirendition="#g">mir</hi>, ſagte Münchhauſen, dir die Ge-<lb/>ſchichte von dem Käfer und der Fliege vorzutragen. —</p><lb/><p>Dreht ſich Einem nicht das reine Herz im<lb/>
Leibe um, rief einer der Gatten, zwei Mitweſen in<lb/>ſolcher Niedertracht zu ſehen? O Brüder, laßt<lb/>
uns hier helfend einſchreiten, laßt uns dieſen Ge-<lb/>
fallenen die rettende Klaue reichen, entwöhnen wir<lb/>
den Käfer von ſeinen üblen Neigungen, die Fliege<lb/>
von der Leidenſchaft, ſelbſt die ungeborene Zukunft<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[159/0177]
Pferd hatte graſen laſſen und der todte Lämmer-
geier lag. Wo das Pferd geſtanden, fanden ſie
einen Käfer mit ſchwarz-glänzenden Flügeldecken,
einen der Art, welche bei Ariſtophanes die Knechte
des Trygäos dem Herrn für den Ritt zu Zeus
auffüttern, und die Deutſchen Miſtkäfer nennen.
An dem Halſe des Geiers aber bemerkten ſie die
ſtahlblaue Fliege, Schmeißfliege geheißen. — Ich
will, Bruder Schnuck, ungeachtet deine göttliche
Tochter nicht zugegen iſt, dennoch den Käfer aus
Rückſicht auf deine Delicateſſe nur das Roß des
Trygäos und die Fliege die blaue Schwärmerin
nennen, ſagte Münchhauſen, vom Manuſcripte auf-
ſehend.
„Erlaube“ — rief der alte Baron faſt wüthend.
Erlaube mir, ſagte Münchhauſen, dir die Ge-
ſchichte von dem Käfer und der Fliege vorzutragen. —
Dreht ſich Einem nicht das reine Herz im
Leibe um, rief einer der Gatten, zwei Mitweſen in
ſolcher Niedertracht zu ſehen? O Brüder, laßt
uns hier helfend einſchreiten, laßt uns dieſen Ge-
fallenen die rettende Klaue reichen, entwöhnen wir
den Käfer von ſeinen üblen Neigungen, die Fliege
von der Leidenſchaft, ſelbſt die ungeborene Zukunft
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 2. Düsseldorf, 1839, S. 159. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen02_1839/177>, abgerufen am 23.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.