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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Zum Diaconat oder zur Oberpfarre in der Stadt
sind drei Bauerschaften als Filiale eingepfarrt,
und ein Theil der Pfarr- und Küstereieinkünfte
bestehet in der Zinsgebühr, welche von den einzel-
nen Hofesstellen alljährlich erfället. Diese nun,
wie sie überall seit undenklichen Zeiten feststeht,
einzusammeln, halten wir per Jahr zwei Gänge,
oder Fahrten, nämlich die gegenwärtige Sommer-
oder kleine Fahrt, und dann die Winter- oder
große Fahrt, kurz nach Advent. Bei der Sommer-
fahrt erfallen die Zinshühner, die Zinseier und
Zinskäse, an dem einen Hofe so viel, an dem andern
so viel; erstere Rubrik, nämlich die der Hühner,
erfället jedoch nur pro Diaconatu, Küsterei hat
sich mit Eiern und Käsen zu begnügen. -- Im
Winter erfallen die Kornzinsen an Gerste, Hafer
und Roggen; da kommen wir mit zwei Karren, weil
eine die Säcke nicht zu fassen vermöglich wäre.
So halten wir denn zweimal per Jahr die Rund-
fahrt durch die drei Bauerschaften.

Und wohin geht die Reise von hier? fragte
der Jäger.

Directe nach Hause, versetzte der Küster, knöpfte
seinen Oberrock los und zog ein Federkissen hervor,

Zum Diaconat oder zur Oberpfarre in der Stadt
ſind drei Bauerſchaften als Filiale eingepfarrt,
und ein Theil der Pfarr- und Küſtereieinkünfte
beſtehet in der Zinsgebühr, welche von den einzel-
nen Hofesſtellen alljährlich erfället. Dieſe nun,
wie ſie überall ſeit undenklichen Zeiten feſtſteht,
einzuſammeln, halten wir per Jahr zwei Gänge,
oder Fahrten, nämlich die gegenwärtige Sommer-
oder kleine Fahrt, und dann die Winter- oder
große Fahrt, kurz nach Advent. Bei der Sommer-
fahrt erfallen die Zinshühner, die Zinseier und
Zinskäſe, an dem einen Hofe ſo viel, an dem andern
ſo viel; erſtere Rubrik, nämlich die der Hühner,
erfället jedoch nur pro Diaconatu, Küſterei hat
ſich mit Eiern und Käſen zu begnügen. — Im
Winter erfallen die Kornzinſen an Gerſte, Hafer
und Roggen; da kommen wir mit zwei Karren, weil
eine die Säcke nicht zu faſſen vermöglich wäre.
So halten wir denn zweimal per Jahr die Rund-
fahrt durch die drei Bauerſchaften.

Und wohin geht die Reiſe von hier? fragte
der Jäger.

Directe nach Hauſe, verſetzte der Küſter, knöpfte
ſeinen Oberrock los und zog ein Federkiſſen hervor,

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[386/0394] Zum Diaconat oder zur Oberpfarre in der Stadt ſind drei Bauerſchaften als Filiale eingepfarrt, und ein Theil der Pfarr- und Küſtereieinkünfte beſtehet in der Zinsgebühr, welche von den einzel- nen Hofesſtellen alljährlich erfället. Dieſe nun, wie ſie überall ſeit undenklichen Zeiten feſtſteht, einzuſammeln, halten wir per Jahr zwei Gänge, oder Fahrten, nämlich die gegenwärtige Sommer- oder kleine Fahrt, und dann die Winter- oder große Fahrt, kurz nach Advent. Bei der Sommer- fahrt erfallen die Zinshühner, die Zinseier und Zinskäſe, an dem einen Hofe ſo viel, an dem andern ſo viel; erſtere Rubrik, nämlich die der Hühner, erfället jedoch nur pro Diaconatu, Küſterei hat ſich mit Eiern und Käſen zu begnügen. — Im Winter erfallen die Kornzinſen an Gerſte, Hafer und Roggen; da kommen wir mit zwei Karren, weil eine die Säcke nicht zu faſſen vermöglich wäre. So halten wir denn zweimal per Jahr die Rund- fahrt durch die drei Bauerſchaften. Und wohin geht die Reiſe von hier? fragte der Jäger. Directe nach Hauſe, verſetzte der Küſter, knöpfte ſeinen Oberrock los und zog ein Federkiſſen hervor,

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 386. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/394>, abgerufen am 22.11.2024.