hatte vorüberschlüpfen sehen, antwortete zögernd: In der Garderobe. Nun war sie nicht länger zu halten, eiligst warf sie ein Nachtgewand über und begab sich mehr laufend als gehend nach der Gar- derobe. Dort die Thüre geöffnet, hatten beide Eltern vor einander den gleichen Schreck und mein- ten zu Boden sinken zu müssen. Der Vater stand, wie ihn die Mutter geträumt hatte, prächtig ge- schmückt, in seinem Glanz und Flimmer von der rothen Morgensonne umspielt, und schnallte eben das Couteau an. Es folgte ein heftiges Fragen und Erklären, die Mutter wollte ihn durchaus nicht ziehen lassen, bis er auf die eindringlichste Weise ihr erwiesen hatte, daß für diesesmal schlech- terdings an dem Vorhaben nichts zu ändern sei. Indem sie noch mit einander stritten, wieherte des Vaters gesattelt stehendes Reitpferd unten vom Hof herauf zum drittenmale. Sie stürzte an das Fenster, sah das feurige Thier in den Boden hauen und sich heben, das böse Ende ihres Traums trat ihr vor die Augen, sie beschwor meinen Vater bei dem Lebendigen unter ihrem Herzen, wenigstens nicht zu reiten, da sie die bestimmte Ahnung habe, daß ihm heute damit ein Unglück begegnen werde, sich vielmehr
hatte vorüberſchlüpfen ſehen, antwortete zögernd: In der Garderobe. Nun war ſie nicht länger zu halten, eiligſt warf ſie ein Nachtgewand über und begab ſich mehr laufend als gehend nach der Gar- derobe. Dort die Thüre geöffnet, hatten beide Eltern vor einander den gleichen Schreck und mein- ten zu Boden ſinken zu müſſen. Der Vater ſtand, wie ihn die Mutter geträumt hatte, prächtig ge- ſchmückt, in ſeinem Glanz und Flimmer von der rothen Morgenſonne umſpielt, und ſchnallte eben das Couteau an. Es folgte ein heftiges Fragen und Erklären, die Mutter wollte ihn durchaus nicht ziehen laſſen, bis er auf die eindringlichſte Weiſe ihr erwieſen hatte, daß für dieſesmal ſchlech- terdings an dem Vorhaben nichts zu ändern ſei. Indem ſie noch mit einander ſtritten, wieherte des Vaters geſattelt ſtehendes Reitpferd unten vom Hof herauf zum drittenmale. Sie ſtürzte an das Fenſter, ſah das feurige Thier in den Boden hauen und ſich heben, das böſe Ende ihres Traums trat ihr vor die Augen, ſie beſchwor meinen Vater bei dem Lebendigen unter ihrem Herzen, wenigſtens nicht zu reiten, da ſie die beſtimmte Ahnung habe, daß ihm heute damit ein Unglück begegnen werde, ſich vielmehr
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0369"n="361"/>
hatte vorüberſchlüpfen ſehen, antwortete zögernd:<lb/>
In der Garderobe. Nun war ſie nicht länger zu<lb/>
halten, eiligſt warf ſie ein Nachtgewand über und<lb/>
begab ſich mehr laufend als gehend nach der Gar-<lb/>
derobe. Dort die Thüre geöffnet, hatten beide<lb/>
Eltern vor einander den gleichen Schreck und mein-<lb/>
ten zu Boden ſinken zu müſſen. Der Vater ſtand,<lb/>
wie ihn die Mutter geträumt hatte, prächtig ge-<lb/>ſchmückt, in ſeinem Glanz und Flimmer von der<lb/>
rothen Morgenſonne umſpielt, und ſchnallte eben<lb/>
das Couteau an. Es folgte ein heftiges Fragen<lb/>
und Erklären, die Mutter wollte ihn durchaus<lb/>
nicht ziehen laſſen, bis er auf die eindringlichſte<lb/>
Weiſe ihr erwieſen hatte, daß für dieſesmal ſchlech-<lb/>
terdings an dem Vorhaben nichts zu ändern ſei.<lb/>
Indem ſie noch mit einander ſtritten, wieherte des<lb/>
Vaters geſattelt ſtehendes Reitpferd unten vom<lb/>
Hof herauf zum drittenmale. Sie ſtürzte an das<lb/>
Fenſter, ſah das feurige Thier in den Boden hauen<lb/>
und ſich heben, das böſe Ende ihres Traums trat<lb/>
ihr vor die Augen, ſie beſchwor meinen Vater bei dem<lb/>
Lebendigen unter ihrem Herzen, wenigſtens nicht zu<lb/>
reiten, da ſie die beſtimmte Ahnung habe, daß ihm<lb/>
heute damit ein Unglück begegnen werde, ſich vielmehr<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[361/0369]
hatte vorüberſchlüpfen ſehen, antwortete zögernd:
In der Garderobe. Nun war ſie nicht länger zu
halten, eiligſt warf ſie ein Nachtgewand über und
begab ſich mehr laufend als gehend nach der Gar-
derobe. Dort die Thüre geöffnet, hatten beide
Eltern vor einander den gleichen Schreck und mein-
ten zu Boden ſinken zu müſſen. Der Vater ſtand,
wie ihn die Mutter geträumt hatte, prächtig ge-
ſchmückt, in ſeinem Glanz und Flimmer von der
rothen Morgenſonne umſpielt, und ſchnallte eben
das Couteau an. Es folgte ein heftiges Fragen
und Erklären, die Mutter wollte ihn durchaus
nicht ziehen laſſen, bis er auf die eindringlichſte
Weiſe ihr erwieſen hatte, daß für dieſesmal ſchlech-
terdings an dem Vorhaben nichts zu ändern ſei.
Indem ſie noch mit einander ſtritten, wieherte des
Vaters geſattelt ſtehendes Reitpferd unten vom
Hof herauf zum drittenmale. Sie ſtürzte an das
Fenſter, ſah das feurige Thier in den Boden hauen
und ſich heben, das böſe Ende ihres Traums trat
ihr vor die Augen, ſie beſchwor meinen Vater bei dem
Lebendigen unter ihrem Herzen, wenigſtens nicht zu
reiten, da ſie die beſtimmte Ahnung habe, daß ihm
heute damit ein Unglück begegnen werde, ſich vielmehr
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/369>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.