Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

des leichten Wagens zu bedienen. Höchst ver-
stimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anspan-
nen! drückte die Mutter sanft nach der Thüre zu
und bat sie um Gotteswillen, sich doch nur wieder
niederzulegen, da sie ja in ihrem leichten Gewande
von der Morgenkälte schwer krank werden könne,
und sprang dann, als er sie auf dem Wege nach
dem Schlafcabinet glaubte, rasch die Haupttreppe
hinunter, um nur zu Roß und an diesem vermale-
deiten Tage vom Hofe zu kommen.

Aber meine Mutter, einmal argwöhnisch gemacht,
schlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben-
falls auf den Hof führte, um sich zu versichern, ob
auch der Wagen genommen werde. Indem sie nun
unten anlangte, sah sie, daß mein Vater schon zu
Pferde saß, und mit dem Thiere, welches er in
seinem Verdrusse heftig behandelt und dadurch unru-
hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte.
Mit einem lauten Geschrei flog sie durch die Thüre
auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erschei-
nenden weißen Gestalt bis zur Wuth gesteigert,
drehte sich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth
auf eine schlüpfrig-abschüssige Stelle, rutschte aus
und stürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit

des leichten Wagens zu bedienen. Höchſt ver-
ſtimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anſpan-
nen! drückte die Mutter ſanft nach der Thüre zu
und bat ſie um Gotteswillen, ſich doch nur wieder
niederzulegen, da ſie ja in ihrem leichten Gewande
von der Morgenkälte ſchwer krank werden könne,
und ſprang dann, als er ſie auf dem Wege nach
dem Schlafcabinet glaubte, raſch die Haupttreppe
hinunter, um nur zu Roß und an dieſem vermale-
deiten Tage vom Hofe zu kommen.

Aber meine Mutter, einmal argwöhniſch gemacht,
ſchlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben-
falls auf den Hof führte, um ſich zu verſichern, ob
auch der Wagen genommen werde. Indem ſie nun
unten anlangte, ſah ſie, daß mein Vater ſchon zu
Pferde ſaß, und mit dem Thiere, welches er in
ſeinem Verdruſſe heftig behandelt und dadurch unru-
hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte.
Mit einem lauten Geſchrei flog ſie durch die Thüre
auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erſchei-
nenden weißen Geſtalt bis zur Wuth geſteigert,
drehte ſich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth
auf eine ſchlüpfrig-abſchüſſige Stelle, rutſchte aus
und ſtürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0370" n="362"/>
des leichten Wagens zu bedienen. Höch&#x017F;t ver-<lb/>
&#x017F;timmt rief er dem Bedienten zu: So laß an&#x017F;pan-<lb/>
nen! drückte die Mutter &#x017F;anft nach der Thüre zu<lb/>
und bat &#x017F;ie um Gotteswillen, &#x017F;ich doch nur wieder<lb/>
niederzulegen, da &#x017F;ie ja in ihrem leichten Gewande<lb/>
von der Morgenkälte &#x017F;chwer krank werden könne,<lb/>
und &#x017F;prang dann, als er &#x017F;ie auf dem Wege nach<lb/>
dem Schlafcabinet glaubte, ra&#x017F;ch die Haupttreppe<lb/>
hinunter, um nur zu Roß und an die&#x017F;em vermale-<lb/>
deiten Tage vom Hofe zu kommen.</p><lb/>
          <p>Aber meine Mutter, einmal argwöhni&#x017F;ch gemacht,<lb/>
&#x017F;chlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben-<lb/>
falls auf den Hof führte, um &#x017F;ich zu ver&#x017F;ichern, ob<lb/>
auch der Wagen genommen werde. Indem &#x017F;ie nun<lb/>
unten anlangte, &#x017F;ah &#x017F;ie, daß mein Vater &#x017F;chon zu<lb/>
Pferde &#x017F;aß, und mit dem Thiere, welches er in<lb/>
&#x017F;einem Verdru&#x017F;&#x017F;e heftig behandelt und dadurch unru-<lb/>
hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte.<lb/>
Mit einem lauten Ge&#x017F;chrei flog &#x017F;ie durch die Thüre<lb/>
auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich er&#x017F;chei-<lb/>
nenden weißen Ge&#x017F;talt bis zur Wuth ge&#x017F;teigert,<lb/>
drehte &#x017F;ich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth<lb/>
auf eine &#x017F;chlüpfrig-ab&#x017F;chü&#x017F;&#x017F;ige Stelle, rut&#x017F;chte aus<lb/>
und &#x017F;türzte. Nun lag mein Vater wirklich mit<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[362/0370] des leichten Wagens zu bedienen. Höchſt ver- ſtimmt rief er dem Bedienten zu: So laß anſpan- nen! drückte die Mutter ſanft nach der Thüre zu und bat ſie um Gotteswillen, ſich doch nur wieder niederzulegen, da ſie ja in ihrem leichten Gewande von der Morgenkälte ſchwer krank werden könne, und ſprang dann, als er ſie auf dem Wege nach dem Schlafcabinet glaubte, raſch die Haupttreppe hinunter, um nur zu Roß und an dieſem vermale- deiten Tage vom Hofe zu kommen. Aber meine Mutter, einmal argwöhniſch gemacht, ſchlüpfte eine kleine Seitentreppe hinab, die eben- falls auf den Hof führte, um ſich zu verſichern, ob auch der Wagen genommen werde. Indem ſie nun unten anlangte, ſah ſie, daß mein Vater ſchon zu Pferde ſaß, und mit dem Thiere, welches er in ſeinem Verdruſſe heftig behandelt und dadurch unru- hig gemacht hatte, kaum zurecht kommen konnte. Mit einem lauten Geſchrei flog ſie durch die Thüre auf den Hof; das Pferd, von der plötzlich erſchei- nenden weißen Geſtalt bis zur Wuth geſteigert, drehte ſich wie toll auf den Hinterfüßen um, gerieth auf eine ſchlüpfrig-abſchüſſige Stelle, rutſchte aus und ſtürzte. Nun lag mein Vater wirklich mit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/370
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 362. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/370>, abgerufen am 14.06.2024.