wenn du über den Spruch nachgedacht hast, erwie- derte der Hofschulze.
Der kleine Schwarzäugige, Verwegne sagte: Meiner Treu, es ist und bleibt wahr, daß ein Sperling in der Hand besser ist, als ein Reiher auf dem Dache. Darum habe ich die Gedanken auf die Gertrud drüben eingestellt, weil sie gar zu hoffähr- tig ist, und auf Michael einen Verspruch mit dem Wicht *) von Hölscher's gethan, die ich kriegen konnte.
Magst du sie denn leiden? fragte der Hofschulze.
Ne, erwiederte der Kleine, es wird aber doch schon gehen.
Der dicke Langsame, welcher zur Ameise geschickt worden war, ihre Weise anzusehen, erklärte, dabei nichts gelernt zu haben, denn, sagte er, ich bin auf keine Ameise gestoßen. Dagegen sagte die erste Magd: Euer Spruch, Baas, trifft nicht zu. "Hast du Vieh, so warte sein, und trägt dir's Nutzen, so behalte es." Denn ich habe die Kühe zu Abend gehörig gemelkt und abgewartet, und Nutzen würden sie mir auch tragen, aber behalten darf ich sie darum doch nicht.
*) Provincialismus für: Mädchen.
wenn du über den Spruch nachgedacht haſt, erwie- derte der Hofſchulze.
Der kleine Schwarzäugige, Verwegne ſagte: Meiner Treu, es iſt und bleibt wahr, daß ein Sperling in der Hand beſſer iſt, als ein Reiher auf dem Dache. Darum habe ich die Gedanken auf die Gertrud drüben eingeſtellt, weil ſie gar zu hoffähr- tig iſt, und auf Michael einen Verſpruch mit dem Wicht *) von Hölſcher’s gethan, die ich kriegen konnte.
Magſt du ſie denn leiden? fragte der Hofſchulze.
Ne, erwiederte der Kleine, es wird aber doch ſchon gehen.
Der dicke Langſame, welcher zur Ameiſe geſchickt worden war, ihre Weiſe anzuſehen, erklärte, dabei nichts gelernt zu haben, denn, ſagte er, ich bin auf keine Ameiſe geſtoßen. Dagegen ſagte die erſte Magd: Euer Spruch, Baas, trifft nicht zu. „Haſt du Vieh, ſo warte ſein, und trägt dir’s Nutzen, ſo behalte es.“ Denn ich habe die Kühe zu Abend gehörig gemelkt und abgewartet, und Nutzen würden ſie mir auch tragen, aber behalten darf ich ſie darum doch nicht.
*) Provincialismus für: Mädchen.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0326"n="318"/>
wenn du über den Spruch nachgedacht haſt, erwie-<lb/>
derte der Hofſchulze.</p><lb/><p>Der kleine Schwarzäugige, Verwegne ſagte:<lb/>
Meiner Treu, es iſt und bleibt wahr, daß ein<lb/>
Sperling in der Hand beſſer iſt, als ein Reiher auf<lb/>
dem Dache. Darum habe ich die Gedanken auf die<lb/>
Gertrud drüben eingeſtellt, weil ſie gar zu hoffähr-<lb/>
tig iſt, und auf Michael einen Verſpruch mit dem<lb/>
Wicht <noteplace="foot"n="*)">Provincialismus für: <hirendition="#g">Mädchen</hi>.</note> von Hölſcher’s gethan, die ich kriegen konnte.</p><lb/><p>Magſt du ſie denn leiden? fragte der Hofſchulze.</p><lb/><p>Ne, erwiederte der Kleine, es wird aber doch<lb/>ſchon gehen.</p><lb/><p>Der dicke Langſame, welcher zur Ameiſe geſchickt<lb/>
worden war, ihre Weiſe anzuſehen, erklärte, dabei<lb/>
nichts gelernt zu haben, denn, ſagte er, ich bin<lb/>
auf keine Ameiſe geſtoßen. Dagegen ſagte die<lb/>
erſte Magd: Euer Spruch, Baas, trifft nicht zu.<lb/>„Haſt du Vieh, ſo warte ſein, und trägt dir’s<lb/>
Nutzen, ſo behalte es.“ Denn ich habe die Kühe<lb/>
zu Abend gehörig gemelkt und abgewartet, und<lb/>
Nutzen würden ſie mir auch tragen, aber behalten<lb/>
darf ich ſie darum doch nicht.</p><lb/></div></div></body></text></TEI>
[318/0326]
wenn du über den Spruch nachgedacht haſt, erwie-
derte der Hofſchulze.
Der kleine Schwarzäugige, Verwegne ſagte:
Meiner Treu, es iſt und bleibt wahr, daß ein
Sperling in der Hand beſſer iſt, als ein Reiher auf
dem Dache. Darum habe ich die Gedanken auf die
Gertrud drüben eingeſtellt, weil ſie gar zu hoffähr-
tig iſt, und auf Michael einen Verſpruch mit dem
Wicht *) von Hölſcher’s gethan, die ich kriegen konnte.
Magſt du ſie denn leiden? fragte der Hofſchulze.
Ne, erwiederte der Kleine, es wird aber doch
ſchon gehen.
Der dicke Langſame, welcher zur Ameiſe geſchickt
worden war, ihre Weiſe anzuſehen, erklärte, dabei
nichts gelernt zu haben, denn, ſagte er, ich bin
auf keine Ameiſe geſtoßen. Dagegen ſagte die
erſte Magd: Euer Spruch, Baas, trifft nicht zu.
„Haſt du Vieh, ſo warte ſein, und trägt dir’s
Nutzen, ſo behalte es.“ Denn ich habe die Kühe
zu Abend gehörig gemelkt und abgewartet, und
Nutzen würden ſie mir auch tragen, aber behalten
darf ich ſie darum doch nicht.
*) Provincialismus für: Mädchen.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/326>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.