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Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

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Diese Stelle aus Kindlinger's Münsterischen
Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand-
lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz-
teren, den Hofschulzen. Er war der Besitzer eines
der größten und reichsten Haupt- oder Oberhöfe,
welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis
zu geringer Anzahl zusammengeschmolzen, liegen.

Ueber diese uralten Wehren freier Männer ist
der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech-
tetilgend hingefahren. Die anfängliche germanische
Genossenschaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes
und Lebens sicher zu werden, nicht, Leib und Leben
zu verlieren, ist längst zerstört; der Vasallendienst
hat an der Freiheit gerüttelt, die Ministerialität
hat daran gerüttelt, und endlich sind die Trümmer
eigenartiger Selbstständigkeit in den großen Noth-
und Bergehafen des modernen Staats getrieben
worden. In diesem schwimmen sie, (um dem
Gleichnisse treu zu bleiben,) stoßen und prallen an
einander an, oder sind auch wohl, seitwärts auf
das Trockne geworfen. Dort verwittern sie, mit
Tang, Flechten und Schneckenhäusern besetzt, nach
und nach, während jener Ueberzug den Schein eines
neuen Gebildes fortsetzt.


Dieſe Stelle aus Kindlinger’s Münſteriſchen
Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand-
lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz-
teren, den Hofſchulzen. Er war der Beſitzer eines
der größten und reichſten Haupt- oder Oberhöfe,
welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis
zu geringer Anzahl zuſammengeſchmolzen, liegen.

Ueber dieſe uralten Wehren freier Männer iſt
der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech-
tetilgend hingefahren. Die anfängliche germaniſche
Genoſſenſchaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes
und Lebens ſicher zu werden, nicht, Leib und Leben
zu verlieren, iſt längſt zerſtört; der Vaſallendienſt
hat an der Freiheit gerüttelt, die Miniſterialität
hat daran gerüttelt, und endlich ſind die Trümmer
eigenartiger Selbſtſtändigkeit in den großen Noth-
und Bergehafen des modernen Staats getrieben
worden. In dieſem ſchwimmen ſie, (um dem
Gleichniſſe treu zu bleiben,) ſtoßen und prallen an
einander an, oder ſind auch wohl, ſeitwärts auf
das Trockne geworfen. Dort verwittern ſie, mit
Tang, Flechten und Schneckenhäuſern beſetzt, nach
und nach, während jener Ueberzug den Schein eines
neuen Gebildes fortſetzt.


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[292/0300] Dieſe Stelle aus Kindlinger’s Münſteriſchen Beiträgen führt uns auf den Schauplatz der Hand- lung. Sie verdeutlicht uns den Helden der Letz- teren, den Hofſchulzen. Er war der Beſitzer eines der größten und reichſten Haupt- oder Oberhöfe, welche in den dortigen Gegenden, freilich jetzt bis zu geringer Anzahl zuſammengeſchmolzen, liegen. Ueber dieſe uralten Wehren freier Männer iſt der Athem der Zeiten Markenverrückend und Rech- tetilgend hingefahren. Die anfängliche germaniſche Genoſſenſchaft, in welche Jeder nur eintrat, Leibes und Lebens ſicher zu werden, nicht, Leib und Leben zu verlieren, iſt längſt zerſtört; der Vaſallendienſt hat an der Freiheit gerüttelt, die Miniſterialität hat daran gerüttelt, und endlich ſind die Trümmer eigenartiger Selbſtſtändigkeit in den großen Noth- und Bergehafen des modernen Staats getrieben worden. In dieſem ſchwimmen ſie, (um dem Gleichniſſe treu zu bleiben,) ſtoßen und prallen an einander an, oder ſind auch wohl, ſeitwärts auf das Trockne geworfen. Dort verwittern ſie, mit Tang, Flechten und Schneckenhäuſern beſetzt, nach und nach, während jener Ueberzug den Schein eines neuen Gebildes fortſetzt.

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/300>, abgerufen am 15.06.2024.