Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838.

Bild:
<< vorherige Seite

suchung künftig zu wahren, denn es thut dem
Menschen immer gut, wenn er eine Erinnerung an
seine Schwachheit vor Augen hat.

In diesem Augenblicke ließ sich ein lustiges
Wiehern aus dem Pferdestalle gegenüber verneh-
men. Der Pferdehändler räusperte sich, spuckte
aus, schlug sich Feuer an, blies dem Receptor eine
starke Dampfwolke in das Gesicht, sah sehnsüchtig
nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor sich
nieder. Hierauf spuckte er nochmals aus, nahm
den lackirten Hut vom Kopfe, strich mit dem
Arme über die Stirn und sagte: Noch immer
eine schwüle Witterung. -- Dann schnallte er seine
lederne Geldkatze vom Leibe, warf sie mit Getöse
auf den Tisch, daß der Inhalt klang und klirrte,
lösete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold-
stücke hin, bei deren Anblicke die Augen des Recep-
tors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte
Hofschulze gar nicht hinsah. Hier ist das Geld!
rief der Pferdehändler, die Faust geballt auf den
Tisch stemmend, krieg' ich die braune Stute dafür?
Sie ist, weiß Gott, nicht einen Heller mehr werth.

Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht
zu Schaden kommt, versetzte der Hofschulze kalt-

Immermann's Münchhausen. 1. Th. 17

ſuchung künftig zu wahren, denn es thut dem
Menſchen immer gut, wenn er eine Erinnerung an
ſeine Schwachheit vor Augen hat.

In dieſem Augenblicke ließ ſich ein luſtiges
Wiehern aus dem Pferdeſtalle gegenüber verneh-
men. Der Pferdehändler räusperte ſich, ſpuckte
aus, ſchlug ſich Feuer an, blies dem Receptor eine
ſtarke Dampfwolke in das Geſicht, ſah ſehnſüchtig
nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor ſich
nieder. Hierauf ſpuckte er nochmals aus, nahm
den lackirten Hut vom Kopfe, ſtrich mit dem
Arme über die Stirn und ſagte: Noch immer
eine ſchwüle Witterung. — Dann ſchnallte er ſeine
lederne Geldkatze vom Leibe, warf ſie mit Getöſe
auf den Tiſch, daß der Inhalt klang und klirrte,
löſete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold-
ſtücke hin, bei deren Anblicke die Augen des Recep-
tors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte
Hofſchulze gar nicht hinſah. Hier iſt das Geld!
rief der Pferdehändler, die Fauſt geballt auf den
Tiſch ſtemmend, krieg’ ich die braune Stute dafür?
Sie iſt, weiß Gott, nicht einen Heller mehr werth.

Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht
zu Schaden kommt, verſetzte der Hofſchulze kalt-

Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 17
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0265" n="257"/>
&#x017F;uchung künftig zu wahren, denn es thut dem<lb/>
Men&#x017F;chen immer gut, wenn er eine Erinnerung an<lb/>
&#x017F;eine Schwachheit vor Augen hat.</p><lb/>
          <p>In die&#x017F;em Augenblicke ließ &#x017F;ich ein lu&#x017F;tiges<lb/>
Wiehern aus dem Pferde&#x017F;talle gegenüber verneh-<lb/>
men. Der Pferdehändler räusperte &#x017F;ich, &#x017F;puckte<lb/>
aus, &#x017F;chlug &#x017F;ich Feuer an, blies dem Receptor eine<lb/>
&#x017F;tarke Dampfwolke in das Ge&#x017F;icht, &#x017F;ah &#x017F;ehn&#x017F;üchtig<lb/>
nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor &#x017F;ich<lb/>
nieder. Hierauf &#x017F;puckte er nochmals aus, nahm<lb/>
den lackirten Hut vom Kopfe, &#x017F;trich mit dem<lb/>
Arme über die Stirn und &#x017F;agte: Noch immer<lb/>
eine &#x017F;chwüle Witterung. &#x2014; Dann &#x017F;chnallte er &#x017F;eine<lb/>
lederne Geldkatze vom Leibe, warf &#x017F;ie mit Getö&#x017F;e<lb/>
auf den Ti&#x017F;ch, daß der Inhalt klang und klirrte,<lb/>&#x017F;ete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold-<lb/>
&#x017F;tücke hin, bei deren Anblicke die Augen des Recep-<lb/>
tors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte<lb/>
Hof&#x017F;chulze gar nicht hin&#x017F;ah. Hier i&#x017F;t das Geld!<lb/>
rief der Pferdehändler, die Fau&#x017F;t geballt auf den<lb/>
Ti&#x017F;ch &#x017F;temmend, krieg&#x2019; ich die braune Stute dafür?<lb/>
Sie i&#x017F;t, weiß Gott, nicht einen Heller mehr werth.</p><lb/>
          <p>Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht<lb/>
zu Schaden kommt, ver&#x017F;etzte der Hof&#x017F;chulze kalt-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">Immermann&#x2019;s Münchhau&#x017F;en. 1. Th. 17</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[257/0265] ſuchung künftig zu wahren, denn es thut dem Menſchen immer gut, wenn er eine Erinnerung an ſeine Schwachheit vor Augen hat. In dieſem Augenblicke ließ ſich ein luſtiges Wiehern aus dem Pferdeſtalle gegenüber verneh- men. Der Pferdehändler räusperte ſich, ſpuckte aus, ſchlug ſich Feuer an, blies dem Receptor eine ſtarke Dampfwolke in das Geſicht, ſah ſehnſüchtig nach dem Stalle und dann gedankenvoll vor ſich nieder. Hierauf ſpuckte er nochmals aus, nahm den lackirten Hut vom Kopfe, ſtrich mit dem Arme über die Stirn und ſagte: Noch immer eine ſchwüle Witterung. — Dann ſchnallte er ſeine lederne Geldkatze vom Leibe, warf ſie mit Getöſe auf den Tiſch, daß der Inhalt klang und klirrte, löſete die Riemen und zählte zwanzig blanke Gold- ſtücke hin, bei deren Anblicke die Augen des Recep- tors zu funkeln anfingen, und nach denen der alte Hofſchulze gar nicht hinſah. Hier iſt das Geld! rief der Pferdehändler, die Fauſt geballt auf den Tiſch ſtemmend, krieg’ ich die braune Stute dafür? Sie iſt, weiß Gott, nicht einen Heller mehr werth. Dann behaltet Euer Geld, damit Ihr nicht zu Schaden kommt, verſetzte der Hofſchulze kalt- Immermann’s Münchhauſen. 1. Th. 17

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/265
Zitationshilfe: Immermann, Karl: Münchhausen. Bd. 1. Düsseldorf, 1838, S. 257. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_muenchhausen01_1838/265>, abgerufen am 22.11.2024.