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Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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pen, um die Welt zu erobern? -- O ich werde noch ein Märtyrer meiner Ueberzeugungen werden!

Während mein Freund nun noch Mehreres über die Bedeutung des Jahrhunderts mit großer Salbung mir mittheilte, schien er ganz die Bedeutung der Stunde vergessen zu haben, in der wir uns zufälligerweise gerade befanden. Es war nämlich diejenige, in der man gewöhnlich zu Nacht speis't, und mein Magen, welcher den ganzen Tag über nichts zu sich genommen hatte, fühlte sich bei den Gesprächen über Verfassung und verfassungsmäßige Regierung außer aller Verfassung und unter der Tyrannei eines grausamen Hungers. Da wir alte Schul- und Universitäts-Kameraden sind, so bat ich Anselmen endlich, er möge decken lassen. Das geschah und wir aßen, oder vielmehr ich aß, denn Anselm lebte wirklich, wie er gesagt hatte, nur in Ideen und von Ideen. Er sagte mir, daß er morgen auch unsern Freund Ernst von Bonn erwarte. Ich freute mich sehr über diese Nachricht. -- Sei nicht zu vergnügt, sagte mein Liberaler -- der Mensch hat umgesattelt, ist umgeschlagen, wie schlechtes Bier; er ist servil geworden, er studirt Adam Müller und Consorten. Mir ist's gar nicht recht, daß er kommt, der Fürstenknecht; es gibt immer Streit, wenn wir zusammentreffen.

Laß uns nur die Stunde nicht versäumen, wenn der Maskenzug beginnt, sagte ich zu Anselm beim Früh-

pen, um die Welt zu erobern? — O ich werde noch ein Märtyrer meiner Ueberzeugungen werden!

Während mein Freund nun noch Mehreres über die Bedeutung des Jahrhunderts mit großer Salbung mir mittheilte, schien er ganz die Bedeutung der Stunde vergessen zu haben, in der wir uns zufälligerweise gerade befanden. Es war nämlich diejenige, in der man gewöhnlich zu Nacht speis't, und mein Magen, welcher den ganzen Tag über nichts zu sich genommen hatte, fühlte sich bei den Gesprächen über Verfassung und verfassungsmäßige Regierung außer aller Verfassung und unter der Tyrannei eines grausamen Hungers. Da wir alte Schul- und Universitäts-Kameraden sind, so bat ich Anselmen endlich, er möge decken lassen. Das geschah und wir aßen, oder vielmehr ich aß, denn Anselm lebte wirklich, wie er gesagt hatte, nur in Ideen und von Ideen. Er sagte mir, daß er morgen auch unsern Freund Ernst von Bonn erwarte. Ich freute mich sehr über diese Nachricht. — Sei nicht zu vergnügt, sagte mein Liberaler — der Mensch hat umgesattelt, ist umgeschlagen, wie schlechtes Bier; er ist servil geworden, er studirt Adam Müller und Consorten. Mir ist's gar nicht recht, daß er kommt, der Fürstenknecht; es gibt immer Streit, wenn wir zusammentreffen.

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[0057] pen, um die Welt zu erobern? — O ich werde noch ein Märtyrer meiner Ueberzeugungen werden! Während mein Freund nun noch Mehreres über die Bedeutung des Jahrhunderts mit großer Salbung mir mittheilte, schien er ganz die Bedeutung der Stunde vergessen zu haben, in der wir uns zufälligerweise gerade befanden. Es war nämlich diejenige, in der man gewöhnlich zu Nacht speis't, und mein Magen, welcher den ganzen Tag über nichts zu sich genommen hatte, fühlte sich bei den Gesprächen über Verfassung und verfassungsmäßige Regierung außer aller Verfassung und unter der Tyrannei eines grausamen Hungers. Da wir alte Schul- und Universitäts-Kameraden sind, so bat ich Anselmen endlich, er möge decken lassen. Das geschah und wir aßen, oder vielmehr ich aß, denn Anselm lebte wirklich, wie er gesagt hatte, nur in Ideen und von Ideen. Er sagte mir, daß er morgen auch unsern Freund Ernst von Bonn erwarte. Ich freute mich sehr über diese Nachricht. — Sei nicht zu vergnügt, sagte mein Liberaler — der Mensch hat umgesattelt, ist umgeschlagen, wie schlechtes Bier; er ist servil geworden, er studirt Adam Müller und Consorten. Mir ist's gar nicht recht, daß er kommt, der Fürstenknecht; es gibt immer Streit, wenn wir zusammentreffen. Laß uns nur die Stunde nicht versäumen, wenn der Maskenzug beginnt, sagte ich zu Anselm beim Früh-

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-15T12:19:09Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-15T12:19:09Z)

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Zitationshilfe: Immermann, Karl: Der Carneval und die Somnambüle. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 5. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 139–273. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/immermann_carneval_1910/57>, abgerufen am 22.11.2024.