tenen fieberhaften Spannung des Gemüths oft ein Plan zur Weltverbesserung ausgebrütet, zu dessen Ausführung der Phan¬ tast bestimmt zu sein glaubt, weshalb er die Forderung gel¬ tend macht, an die Spitze des ganzen Menschengeschlechts als dessen Orakel oder Beherrscher zu treten. Unser S. wurde um so mehr zu diesem erhabenen Selbstgefühle verlockt, da ihm während eines Wachtdienstes, den er als freiwilliger Jäger zu leisten hatte, zur Nachtzeit der Himmel sich aufthat, und die Hand eines Unsichtbaren eine brennende Fackel zu ihm herab¬ reichte. Deutlicher als durch diese Offenbarung konnte ihm sein glanzvoller Beruf nicht angekündigt werden. Wie sich nun das Bewußtsein desselben immer lebendiger bei ihm heraus¬ gestaltete, möchte sich um so weniger im Einzelnen nachweisen lassen, je unfähiger er war, eine präcise Geschichte seiner ge¬ heimen Lucubrationen zu entwerfen. Auch war sein beschauli¬ ches Leben noch viel zu sehr mit irdischen Interessen vermengt, denn er gründete einige Jahre später in einer Provinzialstadt eine Handlung, welche er in einen blühenden Stand setzte; überdies verheirathete er sich, trennte sich aber nach kinderloser Ehe wieder von seiner Gattin, welche bei ihrem schwärmerischen Lebensgefährten wahrscheinlich keine Befriedigung gefunden hatte.
Inzwischen dauerte die innere Gährung in ihm fort, welche, da sie nicht durch andere und mächtigere Interessen er¬ stickt wurde, zu irgend einem Ausbruche kommen mußte. Meh¬ rere Jahre hindurch fand dieselbe ihren Ausfluß nur durch die Feder; er bezeichnet selbst einen frühzeitigen, aber verunglück¬ ten schriftstellerischen Versuch, dem im Jahre 1826 ein ande¬ rer unter dem Titel: Staat, Kirche und Philosophie, folgen sollte, aber, wie er sich ausdrückt, durch Mißverständnisse von Seiten der Censurbehörde confiscirt wurde. Ohne sich hierdurch irre machen zu lassen, gab er im Jahre 1830 eine Schrift un¬ ter dem Titel: das Reich Gottes auf Erden, heraus. Schon die Inhaltsanzeige ergiebt, daß auf 210 Seiten fast alle Probleme zur Sprache gebracht werden, mit denen sich die Denker von jeher beschäftigt haben. Im ersten Theile ist nämlich von der Politik, von dem Staate nach seinen organischen und intel¬ lectuellen Kräften und von der Kirche die Rede. Den zwei¬ ten Theil leiten Betrachtungen über Recht und Philosophie
tenen fieberhaften Spannung des Gemuͤths oft ein Plan zur Weltverbeſſerung ausgebruͤtet, zu deſſen Ausfuͤhrung der Phan¬ taſt beſtimmt zu ſein glaubt, weshalb er die Forderung gel¬ tend macht, an die Spitze des ganzen Menſchengeſchlechts als deſſen Orakel oder Beherrſcher zu treten. Unſer S. wurde um ſo mehr zu dieſem erhabenen Selbſtgefuͤhle verlockt, da ihm waͤhrend eines Wachtdienſtes, den er als freiwilliger Jaͤger zu leiſten hatte, zur Nachtzeit der Himmel ſich aufthat, und die Hand eines Unſichtbaren eine brennende Fackel zu ihm herab¬ reichte. Deutlicher als durch dieſe Offenbarung konnte ihm ſein glanzvoller Beruf nicht angekuͤndigt werden. Wie ſich nun das Bewußtſein deſſelben immer lebendiger bei ihm heraus¬ geſtaltete, moͤchte ſich um ſo weniger im Einzelnen nachweiſen laſſen, je unfaͤhiger er war, eine praͤciſe Geſchichte ſeiner ge¬ heimen Lucubrationen zu entwerfen. Auch war ſein beſchauli¬ ches Leben noch viel zu ſehr mit irdiſchen Intereſſen vermengt, denn er gruͤndete einige Jahre ſpaͤter in einer Provinzialſtadt eine Handlung, welche er in einen bluͤhenden Stand ſetzte; uͤberdies verheirathete er ſich, trennte ſich aber nach kinderloſer Ehe wieder von ſeiner Gattin, welche bei ihrem ſchwaͤrmeriſchen Lebensgefaͤhrten wahrſcheinlich keine Befriedigung gefunden hatte.
Inzwiſchen dauerte die innere Gaͤhrung in ihm fort, welche, da ſie nicht durch andere und maͤchtigere Intereſſen er¬ ſtickt wurde, zu irgend einem Ausbruche kommen mußte. Meh¬ rere Jahre hindurch fand dieſelbe ihren Ausfluß nur durch die Feder; er bezeichnet ſelbſt einen fruͤhzeitigen, aber verungluͤck¬ ten ſchriftſtelleriſchen Verſuch, dem im Jahre 1826 ein ande¬ rer unter dem Titel: Staat, Kirche und Philoſophie, folgen ſollte, aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch Mißverſtaͤndniſſe von Seiten der Cenſurbehoͤrde confiscirt wurde. Ohne ſich hierdurch irre machen zu laſſen, gab er im Jahre 1830 eine Schrift un¬ ter dem Titel: das Reich Gottes auf Erden, heraus. Schon die Inhaltsanzeige ergiebt, daß auf 210 Seiten faſt alle Probleme zur Sprache gebracht werden, mit denen ſich die Denker von jeher beſchaͤftigt haben. Im erſten Theile iſt naͤmlich von der Politik, von dem Staate nach ſeinen organiſchen und intel¬ lectuellen Kraͤften und von der Kirche die Rede. Den zwei¬ ten Theil leiten Betrachtungen uͤber Recht und Philoſophie
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[212/0220]
tenen fieberhaften Spannung des Gemuͤths oft ein Plan zur
Weltverbeſſerung ausgebruͤtet, zu deſſen Ausfuͤhrung der Phan¬
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tend macht, an die Spitze des ganzen Menſchengeſchlechts als
deſſen Orakel oder Beherrſcher zu treten. Unſer S. wurde um
ſo mehr zu dieſem erhabenen Selbſtgefuͤhle verlockt, da ihm
waͤhrend eines Wachtdienſtes, den er als freiwilliger Jaͤger zu
leiſten hatte, zur Nachtzeit der Himmel ſich aufthat, und die
Hand eines Unſichtbaren eine brennende Fackel zu ihm herab¬
reichte. Deutlicher als durch dieſe Offenbarung konnte ihm
ſein glanzvoller Beruf nicht angekuͤndigt werden. Wie ſich nun
das Bewußtſein deſſelben immer lebendiger bei ihm heraus¬
geſtaltete, moͤchte ſich um ſo weniger im Einzelnen nachweiſen
laſſen, je unfaͤhiger er war, eine praͤciſe Geſchichte ſeiner ge¬
heimen Lucubrationen zu entwerfen. Auch war ſein beſchauli¬
ches Leben noch viel zu ſehr mit irdiſchen Intereſſen vermengt,
denn er gruͤndete einige Jahre ſpaͤter in einer Provinzialſtadt
eine Handlung, welche er in einen bluͤhenden Stand ſetzte;
uͤberdies verheirathete er ſich, trennte ſich aber nach kinderloſer
Ehe wieder von ſeiner Gattin, welche bei ihrem ſchwaͤrmeriſchen
Lebensgefaͤhrten wahrſcheinlich keine Befriedigung gefunden hatte.
Inzwiſchen dauerte die innere Gaͤhrung in ihm fort,
welche, da ſie nicht durch andere und maͤchtigere Intereſſen er¬
ſtickt wurde, zu irgend einem Ausbruche kommen mußte. Meh¬
rere Jahre hindurch fand dieſelbe ihren Ausfluß nur durch die
Feder; er bezeichnet ſelbſt einen fruͤhzeitigen, aber verungluͤck¬
ten ſchriftſtelleriſchen Verſuch, dem im Jahre 1826 ein ande¬
rer unter dem Titel: Staat, Kirche und Philoſophie, folgen
ſollte, aber, wie er ſich ausdruͤckt, durch Mißverſtaͤndniſſe von
Seiten der Cenſurbehoͤrde confiscirt wurde. Ohne ſich hierdurch
irre machen zu laſſen, gab er im Jahre 1830 eine Schrift un¬
ter dem Titel: das Reich Gottes auf Erden, heraus. Schon
die Inhaltsanzeige ergiebt, daß auf 210 Seiten faſt alle Probleme
zur Sprache gebracht werden, mit denen ſich die Denker von
jeher beſchaͤftigt haben. Im erſten Theile iſt naͤmlich von der
Politik, von dem Staate nach ſeinen organiſchen und intel¬
lectuellen Kraͤften und von der Kirche die Rede. Den zwei¬
ten Theil leiten Betrachtungen uͤber Recht und Philoſophie
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Ideler, Karl Wilhelm: Der religiöse Wahnsinn, erläutert durch Krankengeschichten. Ein Beitrag zur Geschichte der religiösen Wirren der Gegenwart. Halle (Saale), 1847, S. 212. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ideler_wahnsinn_1847/220>, abgerufen am 05.07.2024.
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