Diese Welt ist für die Lebenden, nicht für die Ver- storbenen da, die von den Verhältnissen nach ihrem Tode keine Kunde haben können, und also keines- wegs befugt waren, der Nachwelt, die ihr Bestes selber beurtheilen muß, Vorschriften zu machen. Hätten alle Verstorbene über ihre Besitzthümer letzt- willige, noch für uns verbindliche Verordnungen errichtet; welch' ein Wirrwarr würde dann unter dem Monde nicht herrschen! Wie viele hohe Häup- ter, die jetzt in Purpur gekleidet sind, und mit ihren Sceptern über Millionen gebieten, würden dann wohl in Lumpen gehüllt, am Bettelstabe oder hinter einer Heerde Gänse oder Schafe sehr demü- thig einherschreiten? Vater Noah machte freilich ein solches Testament, worin er seine Söhne Ja- phet und Sem mit allen ihren Nachkommen zu Herren der Erde einsetzte, und den Ham nebst den Seinigen zu Sklaven der Japhethischen Linie bestimm- te; ob übrigens dies Testament in allen seinen Punkten vollzogen worden sey, lassen wir unent- schieden.
Ueberdies ist es Jedem bekannt, auf welche Weise der größte Theil der Vermächtnisse an die Geistlichen und Mönche entstand, und welche Be- weggründe sie veranlaßten. So wenig die Art ih- rer Entstehung, als die Ursachen derselben sprechen für ihre Dauer. Doch hievon noch in der Folge.
"Der Krummstab der geistlichen Fürsten, sagt
Dieſe Welt iſt fuͤr die Lebenden, nicht fuͤr die Ver- ſtorbenen da, die von den Verhaͤltniſſen nach ihrem Tode keine Kunde haben koͤnnen, und alſo keines- wegs befugt waren, der Nachwelt, die ihr Beſtes ſelber beurtheilen muß, Vorſchriften zu machen. Haͤtten alle Verſtorbene uͤber ihre Beſitzthuͤmer letzt- willige, noch fuͤr uns verbindliche Verordnungen errichtet; welch’ ein Wirrwarr wuͤrde dann unter dem Monde nicht herrſchen! Wie viele hohe Haͤup- ter, die jetzt in Purpur gekleidet ſind, und mit ihren Sceptern uͤber Millionen gebieten, wuͤrden dann wohl in Lumpen gehuͤllt, am Bettelſtabe oder hinter einer Heerde Gaͤnſe oder Schafe ſehr demuͤ- thig einherſchreiten? Vater Noah machte freilich ein ſolches Teſtament, worin er ſeine Soͤhne Ja- phet und Sem mit allen ihren Nachkommen zu Herren der Erde einſetzte, und den Ham nebſt den Seinigen zu Sklaven der Japhethiſchen Linie beſtimm- te; ob uͤbrigens dies Teſtament in allen ſeinen Punkten vollzogen worden ſey, laſſen wir unent- ſchieden.
Ueberdies iſt es Jedem bekannt, auf welche Weiſe der groͤßte Theil der Vermaͤchtniſſe an die Geiſtlichen und Moͤnche entſtand, und welche Be- weggruͤnde ſie veranlaßten. So wenig die Art ih- rer Entſtehung, als die Urſachen derſelben ſprechen fuͤr ihre Dauer. Doch hievon noch in der Folge.
»Der Krummſtab der geiſtlichen Fuͤrſten, ſagt
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Dieſe Welt iſt fuͤr die Lebenden, nicht fuͤr die Ver-
ſtorbenen da, die von den Verhaͤltniſſen nach ihrem
Tode keine Kunde haben koͤnnen, und alſo keines-
wegs befugt waren, der Nachwelt, die ihr Beſtes
ſelber beurtheilen muß, Vorſchriften zu machen.
Haͤtten alle Verſtorbene uͤber ihre Beſitzthuͤmer letzt-
willige, noch fuͤr uns verbindliche Verordnungen
errichtet; welch’ ein Wirrwarr wuͤrde dann unter
dem Monde nicht herrſchen! Wie viele hohe Haͤup-
ter, die jetzt in Purpur gekleidet ſind, und mit
ihren Sceptern uͤber Millionen gebieten, wuͤrden
dann wohl in Lumpen gehuͤllt, am Bettelſtabe oder
hinter einer Heerde Gaͤnſe oder Schafe ſehr demuͤ-
thig einherſchreiten? Vater Noah machte freilich
ein ſolches Teſtament, worin er ſeine Soͤhne Ja-
phet und Sem mit allen ihren Nachkommen zu
Herren der Erde einſetzte, und den Ham nebſt den
Seinigen zu Sklaven der Japhethiſchen Linie beſtimm-
te; ob uͤbrigens dies Teſtament in allen ſeinen
Punkten vollzogen worden ſey, laſſen wir unent-
ſchieden.
Ueberdies iſt es Jedem bekannt, auf welche
Weiſe der groͤßte Theil der Vermaͤchtniſſe an die
Geiſtlichen und Moͤnche entſtand, und welche Be-
weggruͤnde ſie veranlaßten. So wenig die Art ih-
rer Entſtehung, als die Urſachen derſelben ſprechen
fuͤr ihre Dauer. Doch hievon noch in der Folge.
»Der Krummſtab der geiſtlichen Fuͤrſten, ſagt
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/287>, abgerufen am 22.11.2024.
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