chen, die dadurch aus dem Besitz und Genuß ihres wohlerworbenen Eigenthums verdrängt wurden. Aber nichts weniger als das! Die Bisthümer und Klöster widersprachen von jeher dem höhern Zwecke der Menschheit: der sittlichen und geistigen Ausbil- dung derselben; sie waren durchaus unvereinbarlich mit dem Geiste der Zeit und dem Wohlseyn der Völker und Staaten; folglich war jedes Volk und jede Regierung befugt, und sogar verpflichtet, sie aufzuheben. Die Behauptung, daß die meisten Klöster und geistlichen Stiftungen den letztwilligen Verfügungen von Verstorbenen ihren Ursprung ver- dankten, und daß man Verfügungen der Art auf- recht erhalten müsse; ist eben so unrichtig. Jeder letzte Wille verliert seine Gültigkeit, so bald er dem Besten des Staats oder der ganzen Menschheit ent- gegen ist, und überdies sollte man nie die Gültig- keit letztwilliger Verordnungen länger als unter Eltern und Kindern etwa zwei Menschenalter, und unter Fremden höchstens ein Menschenalter hindurch bestehen lassen, woferne nicht die oberste Staats- gewalt ihre längere Dauer bewilligte oder geneh- migte. Majorate, Fideicommisse, Erbverträge, geistliche Stiftungen und dergleichen haben viel Un- heil in der Welt gestiftet. Die Todten müssen, wenn sie längst schon vergessen sind, wenn selbst ihr Name verschollen und auf ihren Leichensteinen ver- wittert ist, nicht auf Erden noch herrschen wollen.
chen, die dadurch aus dem Beſitz und Genuß ihres wohlerworbenen Eigenthums verdraͤngt wurden. Aber nichts weniger als das! Die Bisthuͤmer und Kloͤſter widerſprachen von jeher dem hoͤhern Zwecke der Menſchheit: der ſittlichen und geiſtigen Ausbil- dung derſelben; ſie waren durchaus unvereinbarlich mit dem Geiſte der Zeit und dem Wohlſeyn der Voͤlker und Staaten; folglich war jedes Volk und jede Regierung befugt, und ſogar verpflichtet, ſie aufzuheben. Die Behauptung, daß die meiſten Kloͤſter und geiſtlichen Stiftungen den letztwilligen Verfuͤgungen von Verſtorbenen ihren Urſprung ver- dankten, und daß man Verfuͤgungen der Art auf- recht erhalten muͤſſe; iſt eben ſo unrichtig. Jeder letzte Wille verliert ſeine Guͤltigkeit, ſo bald er dem Beſten des Staats oder der ganzen Menſchheit ent- gegen iſt, und uͤberdies ſollte man nie die Guͤltig- keit letztwilliger Verordnungen laͤnger als unter Eltern und Kindern etwa zwei Menſchenalter, und unter Fremden hoͤchſtens ein Menſchenalter hindurch beſtehen laſſen, woferne nicht die oberſte Staats- gewalt ihre laͤngere Dauer bewilligte oder geneh- migte. Majorate, Fideicommiſſe, Erbvertraͤge, geiſtliche Stiftungen und dergleichen haben viel Un- heil in der Welt geſtiftet. Die Todten muͤſſen, wenn ſie laͤngſt ſchon vergeſſen ſind, wenn ſelbſt ihr Name verſchollen und auf ihren Leichenſteinen ver- wittert iſt, nicht auf Erden noch herrſchen wollen.
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chen, die dadurch aus dem Beſitz und Genuß ihres
wohlerworbenen Eigenthums verdraͤngt wurden.
Aber nichts weniger als das! Die Bisthuͤmer und
Kloͤſter widerſprachen von jeher dem hoͤhern Zwecke
der Menſchheit: der ſittlichen und geiſtigen Ausbil-
dung derſelben; ſie waren durchaus unvereinbarlich
mit dem Geiſte der Zeit und dem Wohlſeyn der
Voͤlker und Staaten; folglich war jedes Volk und
jede Regierung befugt, und ſogar verpflichtet, ſie
aufzuheben. Die Behauptung, daß die meiſten
Kloͤſter und geiſtlichen Stiftungen den letztwilligen
Verfuͤgungen von Verſtorbenen ihren Urſprung ver-
dankten, und daß man Verfuͤgungen der Art auf-
recht erhalten muͤſſe; iſt eben ſo unrichtig. Jeder
letzte Wille verliert ſeine Guͤltigkeit, ſo bald er dem
Beſten des Staats oder der ganzen Menſchheit ent-
gegen iſt, und uͤberdies ſollte man nie die Guͤltig-
keit letztwilliger Verordnungen laͤnger als unter
Eltern und Kindern etwa zwei Menſchenalter, und
unter Fremden hoͤchſtens ein Menſchenalter hindurch
beſtehen laſſen, woferne nicht die oberſte Staats-
gewalt ihre laͤngere Dauer bewilligte oder geneh-
migte. Majorate, Fideicommiſſe, Erbvertraͤge,
geiſtliche Stiftungen und dergleichen haben viel Un-
heil in der Welt geſtiftet. Die Todten muͤſſen,
wenn ſie laͤngſt ſchon vergeſſen ſind, wenn ſelbſt ihr
Name verſchollen und auf ihren Leichenſteinen ver-
wittert iſt, nicht auf Erden noch herrſchen wollen.
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 286. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/286>, abgerufen am 22.11.2024.
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