Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823.

Bild:
<< vorherige Seite

gehört nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts-
streiten ist so berühmt, daß an vielen Orten das
allgemeine Sprüchwort herrscht: er ist so prozeß-
süchtig, wie ein Pfaffe. Dieser unselige Hang wird
in manchen Ländern noch mehr durch die Einrich-
tung genährt, daß der Pfarrer alle Prozesse, wel-
che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen-
und Pfarreinkommens und der geistlichen Einkünf-
te Bezug haben, auf Gefahr und Kosten des Kir-
chenschatzes führen darf. Hat eine Kirche kein Ae-
rarium, so müssen andere Kirchen Anleihen machen,
um die unbefugte Streitlust eines solchen Seelen-
hirten zu befriedigen. Diese Pfaffenprozesse werden
gewöhnlich mit Hildebrandischer Anmaßung und Er-
bitterung geführt, und müssen natürlich alles Gute
ersticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich
nicht durch sein Beispiel, doch durch seine Lehre hät-
te stiften können. Die Gegenstände solcher Rechts-
streite sind oft so unbedeutend, daß man kaum be-
greift, wie angesehene Gerichtshöfe es dulden kön-
nen, daß man sie Jahrelang damit belästigt. Ein
halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei-
ne Elle Wurst sind häufig die wichtigen Dinge,
worüber der weiße Rabbiner, auf Kosten des Kir-
chenaerariums, sich viele Jahre und manchmal
wohl die ganze Zeit seines Lebens *) mit seiner
Gemeine herumzankt.

*) Jch erinnre mich hier eines Prozesses zwischen ei-

gehoͤrt nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts-
ſtreiten iſt ſo beruͤhmt, daß an vielen Orten das
allgemeine Spruͤchwort herrſcht: er iſt ſo prozeß-
ſuͤchtig, wie ein Pfaffe. Dieſer unſelige Hang wird
in manchen Laͤndern noch mehr durch die Einrich-
tung genaͤhrt, daß der Pfarrer alle Prozeſſe, wel-
che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen-
und Pfarreinkommens und der geiſtlichen Einkuͤnf-
te Bezug haben, auf Gefahr und Koſten des Kir-
chenſchatzes fuͤhren darf. Hat eine Kirche kein Ae-
rarium, ſo muͤſſen andere Kirchen Anleihen machen,
um die unbefugte Streitluſt eines ſolchen Seelen-
hirten zu befriedigen. Dieſe Pfaffenprozeſſe werden
gewoͤhnlich mit Hildebrandiſcher Anmaßung und Er-
bitterung gefuͤhrt, und muͤſſen natuͤrlich alles Gute
erſticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich
nicht durch ſein Beiſpiel, doch durch ſeine Lehre haͤt-
te ſtiften koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde ſolcher Rechts-
ſtreite ſind oft ſo unbedeutend, daß man kaum be-
greift, wie angeſehene Gerichtshoͤfe es dulden koͤn-
nen, daß man ſie Jahrelang damit belaͤſtigt. Ein
halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei-
ne Elle Wurſt ſind haͤufig die wichtigen Dinge,
woruͤber der weiße Rabbiner, auf Koſten des Kir-
chenaerariums, ſich viele Jahre und manchmal
wohl die ganze Zeit ſeines Lebens *) mit ſeiner
Gemeine herumzankt.

*) Jch erinnre mich hier eines Prozeſſes zwiſchen ei-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0271" n="271"/>
geho&#x0364;rt nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts-<lb/>
&#x017F;treiten i&#x017F;t &#x017F;o beru&#x0364;hmt, daß an vielen Orten das<lb/>
allgemeine Spru&#x0364;chwort herr&#x017F;cht: er i&#x017F;t &#x017F;o prozeß-<lb/>
&#x017F;u&#x0364;chtig, wie ein Pfaffe. Die&#x017F;er un&#x017F;elige Hang wird<lb/>
in manchen La&#x0364;ndern noch mehr durch die Einrich-<lb/>
tung gena&#x0364;hrt, daß der Pfarrer alle Proze&#x017F;&#x017F;e, wel-<lb/>
che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen-<lb/>
und Pfarreinkommens und der gei&#x017F;tlichen Einku&#x0364;nf-<lb/>
te Bezug haben, auf Gefahr und Ko&#x017F;ten des Kir-<lb/>
chen&#x017F;chatzes fu&#x0364;hren darf. Hat eine Kirche kein Ae-<lb/>
rarium, &#x017F;o mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en andere Kirchen Anleihen machen,<lb/>
um die unbefugte Streitlu&#x017F;t eines &#x017F;olchen Seelen-<lb/>
hirten zu befriedigen. Die&#x017F;e Pfaffenproze&#x017F;&#x017F;e werden<lb/>
gewo&#x0364;hnlich mit Hildebrandi&#x017F;cher Anmaßung und Er-<lb/>
bitterung gefu&#x0364;hrt, und mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en natu&#x0364;rlich alles Gute<lb/>
er&#x017F;ticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich<lb/>
nicht durch &#x017F;ein Bei&#x017F;piel, doch durch &#x017F;eine Lehre ha&#x0364;t-<lb/>
te &#x017F;tiften ko&#x0364;nnen. Die Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;olcher Rechts-<lb/>
&#x017F;treite &#x017F;ind oft &#x017F;o unbedeutend, daß man kaum be-<lb/>
greift, wie ange&#x017F;ehene Gerichtsho&#x0364;fe es dulden ko&#x0364;n-<lb/>
nen, daß man &#x017F;ie Jahrelang damit bela&#x0364;&#x017F;tigt. Ein<lb/>
halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei-<lb/>
ne Elle Wur&#x017F;t &#x017F;ind ha&#x0364;ufig die wichtigen Dinge,<lb/>
woru&#x0364;ber der weiße Rabbiner, auf Ko&#x017F;ten des Kir-<lb/>
chenaerariums, &#x017F;ich viele Jahre und manchmal<lb/>
wohl die ganze Zeit &#x017F;eines Lebens <note xml:id="seg2pn_12_1" next="#seg2pn_12_2" place="foot" n="*)">Jch erinnre mich hier eines Proze&#x017F;&#x017F;es zwi&#x017F;chen ei-</note> mit &#x017F;einer<lb/>
Gemeine herumzankt.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0271] gehoͤrt nicht in ihre Moral. Jhr Hang zu Rechts- ſtreiten iſt ſo beruͤhmt, daß an vielen Orten das allgemeine Spruͤchwort herrſcht: er iſt ſo prozeß- ſuͤchtig, wie ein Pfaffe. Dieſer unſelige Hang wird in manchen Laͤndern noch mehr durch die Einrich- tung genaͤhrt, daß der Pfarrer alle Prozeſſe, wel- che auf Vermehrung und Erhaltung des Kirchen- und Pfarreinkommens und der geiſtlichen Einkuͤnf- te Bezug haben, auf Gefahr und Koſten des Kir- chenſchatzes fuͤhren darf. Hat eine Kirche kein Ae- rarium, ſo muͤſſen andere Kirchen Anleihen machen, um die unbefugte Streitluſt eines ſolchen Seelen- hirten zu befriedigen. Dieſe Pfaffenprozeſſe werden gewoͤhnlich mit Hildebrandiſcher Anmaßung und Er- bitterung gefuͤhrt, und muͤſſen natuͤrlich alles Gute erſticken, was der Prediger etwa noch, wenn gleich nicht durch ſein Beiſpiel, doch durch ſeine Lehre haͤt- te ſtiften koͤnnen. Die Gegenſtaͤnde ſolcher Rechts- ſtreite ſind oft ſo unbedeutend, daß man kaum be- greift, wie angeſehene Gerichtshoͤfe es dulden koͤn- nen, daß man ſie Jahrelang damit belaͤſtigt. Ein halbes Dutzend Eier, ein Viertelpfund Flachs, ei- ne Elle Wurſt ſind haͤufig die wichtigen Dinge, woruͤber der weiße Rabbiner, auf Koſten des Kir- chenaerariums, ſich viele Jahre und manchmal wohl die ganze Zeit ſeines Lebens *) mit ſeiner Gemeine herumzankt. *) Jch erinnre mich hier eines Prozeſſes zwiſchen ei-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/271
Zitationshilfe: Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/271>, abgerufen am 16.07.2024.