ahnen. Dies sind die Ansichten der weißen Rab- diner, und leider, auch der von ihnen verblendeten Menge von der Würde und Heiligkeit ihres Stan- des und ihrer Personen! Das größte Unglück, wel- ches der Lehre unsers göttlichen Erlösers und der Menschheit überhaupt widerfuhr, war, daß ein Klerus sich unter den Christen bildete, und sich aus- fchließlich das Lehramt und die Leitung aller kirch- lichen Gottesverehrungen anmaßte. Mit seiner Ent- stehung gieng die ursprüngliche Einfachheit und Rein- heit der Christnslehre zu Grunde. Die beiden schö- nen und einzigen Symbole des Christenthums, Taufe und Abendmahl, wurden von den Pfaf- fen in kalte kirchliche Formen und in geistliche Er- werbzweige verwandelt, die so, wie sie jetzt bei fast allen Bekennern des Christenthums geübt wer- den, ganz ihren erhabenen Zweck verfehlen. Was soll die Taufe, dies Symbol der Sinnesreinheit und der Aufnahme in die Gemeine der Christen, einem Kinde wohl nützen, das noch kaum sein Daseyn empfindet? Wie viel aber müßte sie wirken, wenn der Täufling den Zweck dieser heiligen Hand- lung zu begreifen und einzusehen im Stande wäre! Das Abendmahl, welches zum Gedächtnisse unsers göttlichen Erlösers von ihm gestiftet ward, und zu dessen Feier wir Christen uns, ohne Unterschied des Standes, vereinigen sollen, um das Band der Bruderliebe fester zu knüpfen, und uns zu eriunern,
ahnen. Dies ſind die Anſichten der weißen Rab- diner, und leider, auch der von ihnen verblendeten Menge von der Wuͤrde und Heiligkeit ihres Stan- des und ihrer Perſonen! Das groͤßte Ungluͤck, wel- ches der Lehre unſers goͤttlichen Erloͤſers und der Menſchheit uͤberhaupt widerfuhr, war, daß ein Klerus ſich unter den Chriſten bildete, und ſich aus- fchließlich das Lehramt und die Leitung aller kirch- lichen Gottesverehrungen anmaßte. Mit ſeiner Ent- ſtehung gieng die urſpruͤngliche Einfachheit und Rein- heit der Chriſtnslehre zu Grunde. Die beiden ſchoͤ- nen und einzigen Symbole des Chriſtenthums, Taufe und Abendmahl, wurden von den Pfaf- fen in kalte kirchliche Formen und in geiſtliche Er- werbzweige verwandelt, die ſo, wie ſie jetzt bei faſt allen Bekennern des Chriſtenthums geuͤbt wer- den, ganz ihren erhabenen Zweck verfehlen. Was ſoll die Taufe, dies Symbol der Sinnesreinheit und der Aufnahme in die Gemeine der Chriſten, einem Kinde wohl nuͤtzen, das noch kaum ſein Daſeyn empfindet? Wie viel aber muͤßte ſie wirken, wenn der Taͤufling den Zweck dieſer heiligen Hand- lung zu begreifen und einzuſehen im Stande waͤre! Das Abendmahl, welches zum Gedaͤchtniſſe unſers goͤttlichen Erloͤſers von ihm geſtiftet ward, und zu deſſen Feier wir Chriſten uns, ohne Unterſchied des Standes, vereinigen ſollen, um das Band der Bruderliebe feſter zu knuͤpfen, und uns zu eriunern,
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ahnen. Dies ſind die Anſichten der weißen Rab-
diner, und leider, auch der von ihnen verblendeten
Menge von der Wuͤrde und Heiligkeit ihres Stan-
des und ihrer Perſonen! Das groͤßte Ungluͤck, wel-
ches der Lehre unſers goͤttlichen Erloͤſers und der
Menſchheit uͤberhaupt widerfuhr, war, daß ein
Klerus ſich unter den Chriſten bildete, und ſich aus-
fchließlich das Lehramt und die Leitung aller kirch-
lichen Gottesverehrungen anmaßte. Mit ſeiner Ent-
ſtehung gieng die urſpruͤngliche Einfachheit und Rein-
heit der Chriſtnslehre zu Grunde. Die beiden ſchoͤ-
nen und einzigen Symbole des Chriſtenthums,
Taufe und Abendmahl, wurden von den Pfaf-
fen in kalte kirchliche Formen und in geiſtliche Er-
werbzweige verwandelt, die ſo, wie ſie jetzt bei
faſt allen Bekennern des Chriſtenthums geuͤbt wer-
den, ganz ihren erhabenen Zweck verfehlen. Was
ſoll die Taufe, dies Symbol der Sinnesreinheit
und der Aufnahme in die Gemeine der Chriſten,
einem Kinde wohl nuͤtzen, das noch kaum ſein
Daſeyn empfindet? Wie viel aber muͤßte ſie wirken,
wenn der Taͤufling den Zweck dieſer heiligen Hand-
lung zu begreifen und einzuſehen im Stande waͤre!
Das Abendmahl, welches zum Gedaͤchtniſſe unſers
goͤttlichen Erloͤſers von ihm geſtiftet ward, und
zu deſſen Feier wir Chriſten uns, ohne Unterſchied
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Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 236. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/236>, abgerufen am 06.01.2025.
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