und Staatsumwälzungen nicht haben brechen kön- nen. Pfaffendemuth ist keine Veilchendemuth, son- dern die Demuth des Epheu, welches schmarotzend an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und selbst dessen Krone zu überranken strebt. Möge der hei- lige Vater im Vatikan tausendmal versichern, daß er ein Knecht der Knechte Gottes sey; mögen un- fere katholischen und protestantischen Leviten noch so oft betheuern, daß "sie sich zwar für berufene, aber für unwürdige Diener ihres Herrn und Hei- landes halten; daß sie viel zu geringe sind aller Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge- than hat;" man traue ihnen nicht; sie treiben ei- nen höflichen Scherz, und würden es sehr übel nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der pfäffische Hochmuth, welcher so gerne sich in den Mantel einer übergroßen Bescheidenheit hüllt, ist um so schlimmer, da jeder Pfaffe sich einbildet, oder doch der Welt einbilden möchte, daß er ein höheres und heiligeres Wesen sey, als alle übrigen Menschen. Durch die Ordination oder Priester- weihe glaubt er sich in ein näheres, unmittelbares Verhältniß mit Gott versetzt; er hält sich nicht für einen Diener des Staats, sondern für einen Die- ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt nicht den Menschen, sondern Gott selbst, dessen Diener er ist, und daher ist es nicht Rachgier, son- dern Pflicht, jede Kränkung auf das strengste zu
20 *
und Staatsumwaͤlzungen nicht haben brechen koͤn- nen. Pfaffendemuth iſt keine Veilchendemuth, ſon- dern die Demuth des Epheu, welches ſchmarotzend an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und ſelbſt deſſen Krone zu uͤberranken ſtrebt. Moͤge der hei- lige Vater im Vatikan tauſendmal verſichern, daß er ein Knecht der Knechte Gottes ſey; moͤgen un- fere katholiſchen und proteſtantiſchen Leviten noch ſo oft betheuern, daß »ſie ſich zwar fuͤr berufene, aber fuͤr unwuͤrdige Diener ihres Herrn und Hei- landes halten; daß ſie viel zu geringe ſind aller Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge- than hat;« man traue ihnen nicht; ſie treiben ei- nen hoͤflichen Scherz, und wuͤrden es ſehr uͤbel nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der pfaͤffiſche Hochmuth, welcher ſo gerne ſich in den Mantel einer uͤbergroßen Beſcheidenheit huͤllt, iſt um ſo ſchlimmer, da jeder Pfaffe ſich einbildet, oder doch der Welt einbilden moͤchte, daß er ein hoͤheres und heiligeres Weſen ſey, als alle uͤbrigen Menſchen. Durch die Ordination oder Prieſter- weihe glaubt er ſich in ein naͤheres, unmittelbares Verhaͤltniß mit Gott verſetzt; er haͤlt ſich nicht fuͤr einen Diener des Staats, ſondern fuͤr einen Die- ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt nicht den Menſchen, ſondern Gott ſelbſt, deſſen Diener er iſt, und daher iſt es nicht Rachgier, ſon- dern Pflicht, jede Kraͤnkung auf das ſtrengſte zu
20 *
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0235"n="235"/>
und Staatsumwaͤlzungen nicht haben brechen koͤn-<lb/>
nen. Pfaffendemuth iſt keine Veilchendemuth, ſon-<lb/>
dern die Demuth des Epheu, welches ſchmarotzend<lb/>
an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und ſelbſt<lb/>
deſſen Krone zu uͤberranken ſtrebt. Moͤge der hei-<lb/>
lige Vater im Vatikan tauſendmal verſichern, daß<lb/>
er ein Knecht der Knechte Gottes ſey; moͤgen un-<lb/>
fere katholiſchen und proteſtantiſchen Leviten noch<lb/>ſo oft betheuern, daß »ſie ſich zwar fuͤr berufene,<lb/>
aber fuͤr unwuͤrdige Diener ihres Herrn und Hei-<lb/>
landes halten; daß ſie viel zu geringe ſind aller<lb/>
Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge-<lb/>
than hat;« man traue ihnen nicht; ſie treiben ei-<lb/>
nen hoͤflichen Scherz, und wuͤrden es ſehr uͤbel<lb/>
nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der<lb/>
pfaͤffiſche Hochmuth, welcher ſo gerne ſich in den<lb/>
Mantel einer uͤbergroßen Beſcheidenheit huͤllt, iſt<lb/>
um ſo ſchlimmer, da jeder Pfaffe ſich einbildet,<lb/>
oder doch der Welt einbilden moͤchte, daß er ein<lb/>
hoͤheres und heiligeres Weſen ſey, als alle uͤbrigen<lb/>
Menſchen. Durch die Ordination oder Prieſter-<lb/>
weihe glaubt er ſich in ein naͤheres, unmittelbares<lb/>
Verhaͤltniß mit Gott verſetzt; er haͤlt ſich nicht fuͤr<lb/>
einen Diener des Staats, ſondern fuͤr einen Die-<lb/>
ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt<lb/>
nicht den Menſchen, ſondern Gott ſelbſt, deſſen<lb/>
Diener er iſt, und daher iſt es nicht Rachgier, ſon-<lb/>
dern Pflicht, jede Kraͤnkung auf das ſtrengſte zu<lb/><fwplace="bottom"type="sig">20 *</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[235/0235]
und Staatsumwaͤlzungen nicht haben brechen koͤn-
nen. Pfaffendemuth iſt keine Veilchendemuth, ſon-
dern die Demuth des Epheu, welches ſchmarotzend
an dem hohen Eichbaum emporkriecht, und ſelbſt
deſſen Krone zu uͤberranken ſtrebt. Moͤge der hei-
lige Vater im Vatikan tauſendmal verſichern, daß
er ein Knecht der Knechte Gottes ſey; moͤgen un-
fere katholiſchen und proteſtantiſchen Leviten noch
ſo oft betheuern, daß »ſie ſich zwar fuͤr berufene,
aber fuͤr unwuͤrdige Diener ihres Herrn und Hei-
landes halten; daß ſie viel zu geringe ſind aller
Barmherzigkeit und Treue, die Gott an ihnen ge-
than hat;« man traue ihnen nicht; ſie treiben ei-
nen hoͤflichen Scherz, und wuͤrden es ſehr uͤbel
nehmen, wenn man ihnen Recht geben wollte. Der
pfaͤffiſche Hochmuth, welcher ſo gerne ſich in den
Mantel einer uͤbergroßen Beſcheidenheit huͤllt, iſt
um ſo ſchlimmer, da jeder Pfaffe ſich einbildet,
oder doch der Welt einbilden moͤchte, daß er ein
hoͤheres und heiligeres Weſen ſey, als alle uͤbrigen
Menſchen. Durch die Ordination oder Prieſter-
weihe glaubt er ſich in ein naͤheres, unmittelbares
Verhaͤltniß mit Gott verſetzt; er haͤlt ſich nicht fuͤr
einen Diener des Staats, ſondern fuͤr einen Die-
ner der Gottheit. Wer ihn beleidigt, beleidigt
nicht den Menſchen, ſondern Gott ſelbſt, deſſen
Diener er iſt, und daher iſt es nicht Rachgier, ſon-
dern Pflicht, jede Kraͤnkung auf das ſtrengſte zu
20 *
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Hundt-Radowsky, Hartwig: Die Judenschule, oder gründliche Anleitung, in kurzer Zeit ein vollkommener schwarzer oder weißer Jude zu werden. Bd. 3. Jerusalem [i. e. Aarau], 1823, S. 235. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/hundtradowsky_judenschule03_1823/235>, abgerufen am 22.12.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.